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Landtag, 25. Sitzung vom 19.10.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 22 von 52

 

dem anderen Osten von Europa. (Abg. Dipl.-Ing. Selma Arapović: Sie haben genau das Gleiche gemacht!) Die haben hackeln müssen, die haben die Sprache lernen müssen, die wollten Teil von Österreich sein, sind Teil von Österreich geworden und leisten einen Beitrag hier. (Abg. Dipl.-Ing. Selma Arapović: Und die FPÖ hat geschrien: Ausländer raus!) Die fühlen sich genauso veräppelt wie viele andere, die sagen: Wir haben hier herkommen müssen, wir haben die Sprache lernen müssen, wir haben arbeiten müssen, wir haben dafür kämpfen müssen, die österreichische Staatsbürgerschaft zu bekommen. Gleichzeitig kommt Frau Ngosso hier heraus und sagt, wir verschenken sie an Terroristen, wir verschenken sie an Mörder. Danke. Gute Nacht! (Beifall bei der FPÖ und von Abg. Wolfgang Kieslich.)

 

Präsident Ing. Christian Meidlinger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Weber, und ich erteile ihm das Wort. Bitte.

 

10.59.49

Abg. Thomas Weber (NEOS)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Landtag! Geschätzte Gäste via Stream!

 

Wir reden heute über die Staatsbürgerschaft. Als ich gestern den Titel der Aktuellen Stunde gelesen habe, habe ich mir gedacht: Na ja, die billige Polemik, die man da schon im Titel stehen hat, wird wahrscheinlich verhindern, dass wir eine sachliche Debatte führen: „verscherbeln“ in der Wortwahl. Zudem wird das Bild vermittelt, dass die Staatsbürgerschaft eine billige Ware ist, die wir irgendwo auf dem Flohmarkt verramschen.

 

Ehrlich aber: Vor allem Ihr Wortbeitrag, Herr Nepp, ist einer, der mich wirklich fassungslos macht. Wie Sie hier als politischer Verantwortungsträger in dieser Stadt und in Ihrer Vorbildwirkung, die Sie haben, über Themen diskutieren und wie Sie hier über Menschen sprechen, ist für mich - ich hoffe, ich bekomme keinen Ordnungsruf dafür - an Widerwärtigkeit eigentlich nicht zu überbieten. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN. - StR Dominik Nepp, MA - erheitert: Großartig! Das habe ich gewonnen!)

 

Ja, Sie finden es aber sichtlich lustig, ich finde es widerlich. (StR Dominik Nepp, MA: Ich finde Sie amüsant!) Es ist mein gutes Recht. Sie mögen mich amüsant finden. Ich finde es widerlich, was Sie hier eben von sich gegeben haben. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN. - StR Dominik Nepp, MA: Die tägliche Betroffenheit! - Abg. Anton Mahdalik: Wahrheit tut weh!) - Genau.

 

Wenn wir über das Thema Staatsbürgerschaft reden, kann man auf einer sachlichen Ebene über viele Themen, Probleme und Themenfelder reden, beispielsweise über das Themenfeld der Mitbestimmung und darüber, dass ein beträchtlicher Teil der Wiener Bevölkerung - in manchen Ecken Wiens mehr als die Hälfte der Wiener Bevölkerung - nicht wahlberechtigt ist. Das ist ein ernstes Thema. Das ist deshalb ein ernstes Thema, weil langfristig nicht nur eine soziale Ungleichheit entsteht, wenn langjährige Mitglieder unserer Gemeinschaft nicht an demokratischen Prozessen teilhaben können und ausgeschlossen sind. Es entsteht auch ein gefährliches Ungleichgewicht in unserer Gesellschaft.

 

Um es klar zu sagen: Natürlich ist es nicht meine Absicht, das sofortige allgemeine Wahlrecht für alle zu fordern oder dafür zu sprechen. Ich möchte aber ein ehrliches und sachliches Gespräch über diese Problematik führen. Welche Wege gibt es, um die politische Teilhabe in Wien zu stärken und mehr Menschen in der politischen Teilhabe einzubinden? Ich glaube, dass es da eine ausgewogene Herangehensweise braucht. Ich glaube, dass wir Maßnahmen finden müssen, um sicherzustellen, dass Menschen unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft und unabhängig von ihrem Hintergrund ein Mitspracherecht an politischen Entscheidungsprozessen haben. (Beifall bei NEOS und GRÜNEN sowie von Abg. Mag. Stephan Auer-Stüger.)

 

Jetzt schaue ich dich, Andrea (in Richtung Abg. Mag. Andrea Mautz-Leopold), und dich, Jennifer (in Richtung Abg. Dr. Jennifer Kickert Kickert), an. Ich glaube, dass uns das beispielsweise im Petitionsrecht … (Abg. Mag. Manfred Juraczka: Linke Partie!) - Haben Sie mich jetzt als linke Partie bezeichnet, Herr Kollege? Oder habe ich mich verhört? (Abg. Dipl.-Ing. Selma Arapović: Ja, hat er!) Okay, hat er. Das krude Weltbild der FPÖ sei einmal dahingestellt. Völlig absurd, aber ja: Das zeigt sich eben auch in dem Zwischenruf von Herrn Juraczka. (Heiterkeit bei Abg. Mag. Manfred Juraczka.) Fakt ist, dass wir zum Beispiel im Petitionsgesetz vorgezeigt haben, wie das gehen kann, indem wir uns - übrigens schon 2013, als es eingeführt worden ist - sehr bewusst dafür entschieden haben, dass alle Menschen unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft auch in Wien die Stimme erheben können und auch gehört werden. - Was daran jetzt links sein soll, Herr Juraczka, kann ich nicht verstehen. Vielleicht können Sie mir das aber einmal bei einem Kaffee oder einem Glas Wasser erklären. Ich glaube, dass durch das Mehr an Einbindung auch so etwas wie Identität, Identitätsstiftung und ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl entstehen. Ich glaube, dass ein Mehr an Teilhabe auch ein Gewinn für unsere Gesellschaft ist. (Beifall bei den NEOS sowie von Abg. Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi und Abg. Safak Akcay.)

 

Ein anderes Beispiel, wenn wir eine sachliche Diskussion führen wollen, ist das Thema Doppelstaatsbürgerschaft. Es ist völlig absurd, dass Österreich sich da immer auf die Selbstverpflichtung gegenüber dem Europarat herausredet. Nur die Niederlande sind restriktiver. Das Thema könnten wir mit einem Brief des Außenministers ganz leicht von selber beheben. Österreich zwingt die Menschen, ihre alten Wurzeln zu kappen, bevor sie die österreichische Staatsbürgerschaft annehmen.

 

Die gleichen Absurditäten gelten übrigens auch im Zusammenhang mit Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreichern. Es ist völlig absurd, dass Auslandsösterreicher und Auslandsösterreicherinnen in manchen Bundesländern auf Wahlebene gar nicht wahlberechtigt sind.

 

Wir sehen also, es gibt ganz viele Themen, über die man sachlich diskutieren könnte, wenn man wollte. Das will man anscheinend in manchen Kreisen hier in diesem Haus nicht. Das finde ich schade. Ich finde es wichtig, statt billiger Polemik einen sachlichen Diskurs zu führen. - Danke. (Beifall bei den NEOS sowie von Abg. Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi und Abg. Gabriele Mörk.)

 

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