Landtag, 2. Sitzung vom 26.06.2025, Wörtliches Protokoll - Seite 28 von 56
bei der Ernennung nicht an Vorschläge richterlicher Organe gebunden ist.
Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Frage bleibt die politische Frage, wie man mit den Empfehlungen auf europäischer Ebene umgehen möchte. Eine Beantwortung wäre ganz spannend und interessant. (Beifall bei der ÖVP.)
Drittens, die Verfügbarkeit von Sachverständigen: Da zeigen sich direkte Widersprüche. Das Gericht berichtet, dass ihm faktisch nur ein einziger Lärm-Amtssachverständiger zur Verfügung steht und im Berichtsjahr kein Facharzt aus dem Gebiet der Psychiatrie verfügbar war. Dies sei besonders in Mindestsicherungs- und Verwaltungsstrafverfahren problematisch.
Die Landesregierung hingegen stellt fest, dass alleine bei der MA 22 drei schalltechnische Amtssachverständige tätig sind und klinische Psychologinnen und Psychologen zur Beurteilung psychischer Störungen als gleichwertig angesehen werden können. Diese unterschiedlichen Auffassungen müssen aufgeklärt werden, da sie direkte Auswirkungen auf Verfahrensdauer und Kosten haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Viertens, zu guter Letzt die Infrastruktur des Gerichts: Das Gericht thematisiert die hohe Hitzebelastung im Sommer, die bereits zum Abbruch von Verhandlungen geführt hat. Die geplante Klimatisierung von zwei Verhandlungssälen und einem Akteneinsichtsraum ist wohl nur eine Erste-Hilfe-Maßnahme. Es müsste da eine umfassende Lösung Platz greifen.
Die Landesregierung bestätigt diese erste Maßnahme als Pilotprojekt und stellt weitgehende Umsetzungen unter dem Vorbehalt der budgetären sowie betrieblichen Rahmenbedingungen in Aussicht. Dies wirft die Frage nach der Prioritätensetzung für die Arbeitsbedingungen der Justiz auf.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Punkte zeigen, dass ein ernsthafter Dialog zwischen Gericht und Landesregierung notwendig ist. Wir appellieren an die Landesregierung, die im Bericht aufgezeigten Herausforderungen mit der gebotenen Ernsthaftigkeit zu behandeln. Es geht darum, die Funktionsfähigkeit und die Rahmenbedingungen für unsere Justiz in Wien sicherzustellen. Das ist keine parteipolitische Frage, sondern eine Frage der Verantwortung für einen starken Rechtsstaat und für ein starkes Rechtssystem in Wien. - Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Anton Mahdalik: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich mitteilen, dass Abg. Kickert für den Rest der Sitzung entschuldigt ist. - Als Nächster ist Abg. Weber zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. - Bitte.
Abg. Thomas Weber (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident des Wiener Landtags, sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, werte Berichterstatterin, hoher Landtag! Ich möchte Sie, Frau Vizepräsidentin, recht herzlich im Wiener Landtag begrüßen. Es ist gut und wichtig und richtig, dass Sie hier heute bei uns sind, denn der Austausch zwischen Legislative, Exekutive und Judikative ist natürlich ein ganz grundlegender Bestandteil unseres Rechtsstaats. Wir müssen diesen Dialog ernst nehmen, um gegenseitiges Verständnis für Bedürfnisse zu fordern, zu fördern und herauszuarbeiten und natürlich auch um unseren Rechtsstaat mit Leben zu erfüllen.
Sie geben als Verwaltungsgericht die Garantie ab, dass das Verwaltungshandeln kontrolliert und gegebenenfalls auch korrigiert wird. Sie sichern damit Grundrechte in unserer Stadt und unserer Republik. Sie schaffen Transparenz, und Sie ermöglichen den Menschen einen effektiven Rechtschutz. Das alles sind natürlich unverzichtbare Funktionen unserer liberalen Demokratie. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)
Der Tätigkeitsbericht zeigt zwei Sachen: einerseits die unglaubliche Leistungsfähigkeit des Gerichts, andererseits auch die Belastungsgrenzen des Gerichts. Neben dem Tätigkeitsbericht liegt uns zugleich auch die Stellungnahme des Amts der Wiener Landesregierung vor, die eine unterschiedliche Perspektive darauf wirft. Ein paar Zahlen haben wir schon gehört. Diesen gemeinsamen Dialog sowie aus unterschiedlichen Richtungen auf die Themen zu schauen, halte ich für ganz wichtig, um den Blick nach vorne zu richten.
Wir haben es schon gehört: 2024 hat das Verwaltungsgericht einen großen Anstieg bei den Rechtssachen verzeichnet. 17 700 neue Verfahren wurden eingebracht. Das sind um beachtliche 1 400 Verfahren mehr als im Vorjahr. Insgesamt waren über 25 500 Verfahren anhängig. Das ist eine Belastung so hoch wie noch nie - mit Ausnahme des Pandemiespitzenjahres 2021. Besonders wird der Anstieg von 67 Prozent im Zusammenhang mit dem Staatsbürgerschaftsrecht hervorgehoben.
Diesbezüglich möchte ich den Blick auf die Gesamtmenge der Beschwerdeverfahren und auch der Mehranträge richten, die es bei der zuständigen Behörde gegeben hat, um die Zahlen auch ein bisserl einordnen zu können. Im Vergleich wurden im Frühjahr 2023 monatlich 500 Antragstermine bei der MA 35 zum Thema österreichische Staatsbürgerschaft vereinbart. Im März 2025 waren es nicht mehr 500, sondern 1 700.
Insgesamt wickelt die MA 35 152 000 Verfahren ab. Das ist beachtlich. Das ist eine beachtliche Vervielfachung. Demgegenüber steht natürlich auch die komplexe Gesetzeslage, die alle Systeme an die Belastungsgrenze bringt. Die Stadt Wien-Abteilung Einwanderungs- und Staatsbürgerschaft hat hier zuletzt auch massiv mit Dienstposten aufgestockt. Das ist ein wichtiger Schritt. Um Effizienzsteigerungen und Reformbemühungen durchzuführen, wird es aber langfristig notwendig sein, dass es eine wesentliche Vereinfachung des Staatsbürgerschaftsrechts gibt, die zu kürzeren Verfahren und zu kürzeren Wartezeiten führen soll.
Deswegen haben wir im Regierungsprogramm auf Bundesebene ja etwa auch die gesetzliche Grundlage für die digitale Antragstellung geschaffen - ein wichtiger Schritt, der da entgegenwirken soll. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)
Wir haben es schon gehört: Auch im Bereich des Versammlungsgesetzes gibt es einen massiven Anstieg von 99 Prozent und zusätzlich 371 neue Verfahren im
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