Landtag, 3. Sitzung vom 23.09.2025, Wörtliches Protokoll - Seite 57 von 88
höchsten Mietbelastung am meisten verlieren. Man kann Ihnen vielleicht zugutehalten, dass dieses Verstecken irgendein Restbestand von Schuldbewusstsein ist, aber von diesem Schuldbewusstsein, sehr geehrte Damen und Herren, können sich die betroffenen Kinder nichts kaufen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich muss beim nächsten Punkt schon aufpassen, dass ich nicht ausfallend werde: Wir wissen, dass MitarbeiterInnen der MA 40 aktuell einen neuen Vollzug des Mindestsicherungsgesetzes umsetzen müssen. Alt ist: Bei der beharrlichen Verweigerung der Erwerbsintegration erfolgt eine Leistungskürzung bis zu 100 Prozent. Neu ist: Es ist auch die Leistungseinstellung möglich, und das bedeutet, es ist auch die Leistungseinstellung für Bedarfsgemeinschaften möglich, wo minderjährige Kinder drinnen sind. Das bedeutet dann wiederum, die Wohnungssicherung ist weg - also nicht nur der Lebensunterhalt ist weg, sondern die Wohnungssicherung ist weg - und die Krankenversicherung ist weg. Das bedeutet, dass die Stadt Wien ankündigt, dass Kindern die Krankenversicherung aufgekündigt wird, weil ihre Eltern nicht an der Erwerbsintegration mitwirken. Dabei sollte die Abwägung eigentlich allen klar sein, die sollte auch der quasi für Kinder- und Jugendangelegenheiten zuständigen Partei klar sein: Das Kindeswohl muss immer und überall über ordnungspolitischen Zielen stehen, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Die Folgen eines Wegfalls der Krankenversicherung wären für die betroffenen Kinder brutal. Die können in keiner Weise durch irgendwelche ordnungspolitischen Argumente, what so ever, aufgewogen werden. Wenn dann Sozial-NGOs nachfragen: Was macht ihr dann, wenn eine Leistungseinstellung für Bedarfsgemeinschaften mit Kindern erfolgt?, dann kommt die Rückmeldung: Dann machen wir eine Gefährdungsmeldung an die MA 11. - Sorry to say, aber das ist zynisch und kurzsichtig. Ich meine, wir kennen alle die Versorgungsengpässe der MA 11, das kann nur ein schlechter Witz sein, dass die Lösung der MA 40 für solche Fälle dann ist: Wir machen eine Gefährdungsmeldung! - Es ist ein Skandal, dass Kindern im Roten Wien angekündigt wird, die Krankenversicherung zu kündigen. Die Kinder dürfen nicht für die Verfehlung ihrer Eltern bestraft werden, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Es war einmal ein Ziel der Sozialdemokratie, alle Menschen in Österreich mit einer Krankenversicherung zu versorgen. Und jetzt setzen die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Wien den Entzug der Krankenversicherung als Disziplinierungsinstrument ein und machen nicht einmal vor den Kindern halt. Schlimm genug bei Erwachsenen, aber jedes Kind hat unseren vollen Schutz verdient und das beinhaltet auch gerade den vollen Schutz vor der Krankheit. Dieses Versprechen wird hier fundamental in Frage gestellt, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Es geht nicht um viele Fälle - das hat der Herr Stadtrat ja auch gerade genannt -, aber diese Vollziehungspraxis ist ja auch neu. Es geht nicht um viele Fälle, es geht nicht um hohe Kosten, aber alleine, dass man gewillt ist, im Extremfall zur Disziplinierung der Eltern den Kindern die Krankenversicherung zu streichen, ist ein unfassbarer Skandal. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Und dann war da noch die Kindergartenpflicht für MindestsicherungsbezieherInnen mit Betreuungspflichten für Dreijährige. Schauen wir einmal hin: Der Status Quo ist, dass diese Eltern nicht einmal freiwillig einen Kindergartenplatz in einem städtischen Kindergarten bekommen. Wir haben die Kindergartenplätze schlichtweg nicht. Wir haben die Kindergartenplätze nicht. Da gibt es Menschen, die verzweifelt nach einem Platz suchen, und wir haben die Kindergartenplätze nicht. Sie erzählen diesen Menschen jetzt - oder der Bürgermeister macht das -, dass diese Kinder ab drei Jahren, ab dem dritten Jahr des Kindes verpflichtend in den Kindergarten gehen sollen. Gleichzeitig schiebt der Bürgermeister schon mit der Ankündigung diese Kindergartenpflicht wieder auf die lange Bank, weil er zugeben muss: Wir haben diese Kindergartenplätze nicht. Da sind viele Frauen, insbesondere Frauen in der Mindestsicherung, die einen Kindergartenplatz wollen, aber sie bekommen keinen. Die Stadt muss diese Erwerbshindernisse endlich beseitigen, weil sie in vielen Fällen auch Integrationshindernisse sind. Vielleicht kann man zwischendurch damit aufhören, die Betroffenen, vorwiegend Frauen, dafür verantwortlich zu machen, dass das Platzangebot in den Kindergärten nicht ausreicht, weil das eigentlich skandalös ist, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Letzter Punkt, der auch in der öffentlichen Debatte beim Vorschlag des Bürgermeisters war. Es wurde auch angekündigt, Kürzungen bei Erwachsenen im gemeinsamen Haushalt zu machen, die bisher nicht als Bedarfsgemeinschaft gewertet wurden. Ab der zweiten Person sollen da 30 Prozent der Leistung gekürzt werden, wie schon bisher bei Bedarfsgemeinschaften. Das sind bis zu 4 350 EUR im Jahr.
Was verbirgt sich hinter gemeinsamer Haushalt, aber nicht Bedarfsgemeinschaft? - Das sind WGs für Menschen mit Behinderungen, das sind Frauen in Frauenhäusern, das sind Wohnungslose in Einrichtungen für Wohnungslose. Eines zieht sich durch bei dieser Stadtregierung: Bei den besonders vulnerablen Gruppen wird zuerst gekürzt, bei den Kindern, bei den Menschen mit Behinderung, bei den Frauen in Frauenhäusern, bei den Wohnungslosen in Wohnungslosenhilfeeinrichtungen. Da kann ich an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, nur appellieren: Helfen Sie Ihren Regierungsmitgliedern dabei, den sozialen Kompass wieder zu finden! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Lassen Sie nicht zu, dass Kindern die Krankenversicherung gestrichen wird oder ihnen auch nur angedroht wird, die Krankenversicherung zu streichen. Lassen Sie nicht zu, dass den ärmsten Kindern in Wien 1 000 EUR pro Jahr gekürzt werden. Lassen Sie nicht zu, dass Menschen mit Behinderung, Frauen in Frauenhäusern oder Wohnungslose mehr als 4 000 EUR pro Jahr weniger an Unterstützung bekommen. Und lassen Sie - gegen Ende auch noch gesagt - nicht zu, dass bei den sozialen Dienstleistungen dieser Stadt so gekürzt wird, dass Sie nicht mehr das leisten können, was Sie bisher
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