Landtag, 38. Sitzung vom 22.01.2025, Wörtliches Protokoll - Seite 40 von 49
nicht mit Zwang. Ich meine, mein Vater ist zeit seines Lebens Ausländer geblieben, unter anderem deswegen, weil Österreich ihm vorgeschrieben hat, seine angestammte Staatsbürgerschaft zurückgeben zu müssen. Das wollte er nicht. (Abg. Mag. Dietbert Kowarik: War seine Entscheidung!) - Na ja, eh, aber trotzdem war er vollständig integriert. Trotzdem hat er sich an alle Regeln angepasst.
Der letzte Punkt - das sogenannte hohe Gut - war seine persönliche Entscheidung. Sie wurde ihm aber nicht aufoktroyiert, weil er mit seinem Einkommen unter keinen Umständen jemals diese Hürde hätte übertreffen können. Ich glaube, das sind die Unterschiede. Diese Unterschiede in der Bewertung sind, glaub ich, was sich zu besprechen lohnen würde - abseits der populistischen und menschenverachtenden - wie soll ich sagen? - Herangehensweise.
Ich glaube schon, dass es nötig wäre, darüber wirklich vorurteilsfrei zu reden. Denn es ist aus meiner Sicht tatsächlich ein demokratiepolitisches Problem, wenn in der Gesamtbevölkerung Wiens immer weniger Menschen an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen können, die immer mehr Menschen wesentlich betreffen, die darüber nicht mitbestimmen können.
Diesen demokratiepolitischen Gap, den wir immer wieder besprechen, empfinden wir als ungerechtfertigt und als etwas, worauf wir achten sollten und wogegen wir eben mit guten, gut diskutierten Maßnahmen arbeiten sollten. (Beifall bei den GRÜNEN sowie von Abg. Dipl.-Ing. Selma Arapović und Abg. Petr Baxant, BA.)
Das war es auch schon, weil ich den Ansatz ja sehr spannend finde und wir nie Zeit haben, darüber zu reden. Deswegen meine doch nicht so kurze Wortmeldung, wie ich anfangs gedacht habe. (Beifall bei den GRÜNEN sowie von Abg. Dipl.-Ing. Selma Arapović und Abg. Petr Baxant, BA.)
Präsident Mag. Manfred Juraczka: Abg. Kowarik hat sich ein zweites Mal zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. - Bitte.
Abg. Mag. Dietbert Kowarik (FPÖ): Herr Präsident! Ich wollte das Thema gar nicht ansprechen, aber wenn es jetzt schon so behandelt wird. Also, die ÖVP ist schuld. Die haben den Antrag gebracht. (Abg. Martina Ludwig-Faymann - erheitert -: Immer! Immer!)
Staatsbürgerschaftsrecht und Wahlrecht: Kollege Ellensohn hat ein paar Vergleiche gezogen, die hinken, sage ich einmal. Er hat auch einige Institutionen und Körperschaften genannt, bei denen Staatsbürgerschaft keine Rolle spielt, um mitstimmen zu dürfen. Das ist richtig.
Unter anderem haben Sie, Herr Kollege, gemeint, der ÖGB. Es geht uns nichts an, was die machen, weil das ein Verein ist. Der ÖGB kann bestimmen, wie er will. Er kann auch andere Hürden dort einführen.
Welche Hürden eine Religionsgemeinschaft hat, damit man da demokratisch mitbestimmen kann, und inwieweit eine Religionsgemeinschaft demokratisch ist: Teilweise ist sie das schon, wissen wir, aber teilweise ist Demokratie aus der Logik einer göttlichen Ordnung dann auch nicht immer das ganz große Thema. Wir gestehen aber jeder Religionsgemeinschaft zu, dass sie selber ihre Entscheidungsfindung hat. Wenn sie unseren Vorstellungen halbwegs entspricht, kann sie machen, was sie will. Gut so.
Dann haben Sie die Arbeiterkammer genannt. Da wird es schon ein bissel enger, auch bei der Wirtschaftskammer. Es gibt einen entscheidenden Unterschied. Es betrifft ja auch den Bezirk. Bei uns können ja auch Ausländer bei der Bezirksvertretungswahl mitwählen, wie wir wissen, und zwar EU-Staatsbürger.
Eines haben sie dann auch irgendwie angesprochen. Es gibt eben einen entscheidenden Unterschied, der für mich persönlich entscheidend ist, nämlich bei gesetzgebenden Körperschaften. Der Bezirk macht keine Gesetze, auch die Arbeiterkammer macht keine Gesetze, und auch die Notariatskammer macht keine Gesetze. Inzwischen können auch EU-Staatsbürger Notare werden. Die können auch bei der Kollegiumsversammlung mitwählen. Es gibt, glaub ich, noch keinen, aber das könnte so sein. Auch die Kammern können das also regeln, wie sie wollen.
Bei gesetzgebenden Körperschaften ist das eben etwas anderes. Da sind wir bei dem, was - oftmals sehr salopp und nicht nur von verschiedensten Parteigängern - das Primat der Politik genannt wird, was natürlich nicht ganz stimmt, wie wir wissen. Es wurde auch von unserer Partei schon so behauptet.
Es gibt eben in unserer Vorstellung von Verfassung eine wesentliche Gewalt. Das ist die Gesetzgebung. Die kann nämlich die anderen - nämlich die anderen Gewalten - regeln. Also, das ist das Primat. Die Gesetzgebung ist in unserer Verfassungsvorstellung das Wichtigste. Darum sind wir ja hier auch als Landtagsabgeordnete tätig.
Ob es jetzt sinnvoll ist, dass Länder die Kompetenzen haben, Gesetze zu machen, können wir diskutieren. Es ist nun einmal so. Das zu ändern, wurde schon hin und wieder versucht. Es ist immer kläglich gescheitert. (Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher: Baugesetz!) - Ja, man kann ja auch Baugesetze ändern, wie wir wissen, sonst wären wir nicht in der EU und hätten jetzt eine Gesetzgebung, die mit der grundsätzlichen Vorstellung einer demokratischen Gesetzgebung gar nichts zu tun hat, dass das nämlich vor allem die Kommission vorantreibt und das Parlament nur einen sehr eingeschränkten Bestandteil hat.
Die Einschränkung des demokratischen Grundprinzips Baugesetz ist also mit der EU-Volksabstimmung geschehen. Ob das gescheit war oder nicht, mag jeder selber für sich empfinden. Sie können sich vorstellen, welche Meinung ich dazu habe. Es ist aber halt so. Demokratische Entscheidungen muss man anerkennen. Dazu stehen wir da. - Ich verzettle mich schon wieder.
Jetzt kommen wir zur Gesetzgebung. Ich sage, bei gesetzgebenden Körperschaften sollten nur Staatsbürger ein Wahlrecht haben. Das ist auch nichts Neues. Frau Kollegin Kickert hat uns gesagt, wie Integrationsprozesse passieren können: Best Practice, sage ich einmal. Gut, wir wissen auch, dass Integrationsprozesse nicht immer so funktionieren wie in ihrer Familie. Auch das ist eine Tatsache.
Mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft sollte man davon ausgehen, dass der Integrationsprozess wirklich gut abgeschlossen ist. Das ist einmal die Grundannahme. Das ist eben ein Schritt, der sehr weitgehend ist und der Rechte und Pflichten normiert. (Abg. Dr. Jennifer Kickert: Verpflichtungen!) - Ja, auch Pflichten.
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