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Landtag, 39. Sitzung vom 27.03.2025, Wörtliches Protokoll  -  Seite 44 von 59

 

Rückblickend betrachtet, wenn ich auf die Entwicklung des Petitionsausschusses in den letzten Jahren schaue, dann kann ich für mich und für meine Fraktion auf jeden Fall feststellen, dass die Weiterentwicklung des Petitionsrechts ein Erfolg war. Das hat dem Petitionswesen gut getan, und es hat unserem gemeinsamen Tun in dem Ausschuss vor allem auch deshalb gutgetan, weil wir jetzt öffentlich sind und sozusagen auf einer Bühne sitzen und daher vielleicht alle miteinander bei den Ausschusssitzungen weniger in unsere Handys schauen, sondern doch mehr zuhören. Ich glaube, das hat der Qualität in dem Ausschuss und auch der politischen Kultur etwas Gutes getan.

 

Etwas wünsche ich mir von der nächsten Regierung beziehungsweise von der nächsten Gesetzgebung und von denen, die das künftige Koalitionsabkommen ausverhandeln werden: Ich wünsche mir, dass wir auf den Erfahrungen und auf dem aufsetzen, was wir in den letzten Jahren beim Petitionsrecht hier gemeinsam weitergebracht haben. Ich wünsche mir, dass wir jetzt nicht für zehn Jahre den Deckel draufmachen, sondern dass wir auf dem Bestehendem aufsetzen, aus dem, was wir jetzt gesehen haben, lernen und das Petitionsrecht gemeinsam mit einer möglichst großen Mehrheit weiterentwickeln.

 

Nachdem wir jetzt über den Petitionsbericht sprechen, möchte ich auch zwei Punkte aus dem Petitionsbericht aufgreifen und zwei Zahlen nennen. Wir haben 46 Petitionen im Jahr 2024 abschließend behandelt, und im Jahr davor waren es 48 Petitionen. Das Petitionswesen bleibt ungefähr auf dem Niveau der letzten Jahre. Im Zusammenhang mit den Stellungnahmen gibt es auch eine spannende Zahl: Im Jahr 2024 haben wir 349 Stellungnahmen eingeholt. Und das ist eine Menge Arbeit, und zwar nicht nur für uns im Ausschuss, diese zu lesen, sondern auch, diese zu formulieren und zu adressieren. Für mich sind die Stellungnahmen immer ein schöner Indikator dafür, wie breit sozusagen das Stimmungsverhältnis zu den einzelnen Petitionsthemen ist.

 

Unter der vielen Petitionen, die es im Jahr 2024 gegeben hat, hat mich eine persönlich besonders bewegt hat, und ich erwähne sich jetzt auch deshalb, weil sie dieses zweite Halbjahr betrifft. Es ist dies die Petition „Der Fall Helmut Kand - Schwester, wir glauben dir“. Die Petition ist von zwei zivilgesellschaftlichen Initiativen eingebracht worden, nämlich von den Catcalls of Vienna und von Ni Una Menos Austria. Es wurde gefordert, dass die Stadt Wien das Wandbild eines verurteilten Sexualstraftäters, nämlich des Helmut Kand, im öffentlichen Raum entfernt.

 

Konkret ging es um das Wandbild an einer Fassade in Mariahilf. Alle, die die in dem Petitionsausschuss waren, können, glaube ich, nachvollziehen, was ich jetzt sage. Die Art und Weise, wie diese Petition vorgebracht worden ist - ich bekomme jetzt noch eine Gänsehaut, wenn ich darüber nachdenke - hat wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen, und zwar nicht nur wegen der Klarheit, in der diese vorgebracht worden ist, sondern auch wegen deren Dringlichkeit.

 

Ich zitiere aus dem Petitionsausschuss vom Vorbringen der Petition: „Die Tatsache, dass ein verurteilter Sexualstraftäter weiterhin im öffentlichen Raum repräsentiert und gefeiert wird und unser Stadtbild prägt, vermittelt in unserer Gesellschaft die Botschaft, dass Männer in Machtpositionen unantastbar wären und über dem Gesetz stehen würden. Im Gegensatz dazu lässt es Betroffene von sexueller Gewalt in dem Glauben, dass der Mut, ihre Stimme zu erheben, nichts wert sei.“ - Das war ein Appell, Verantwortung zu übernehmen dafür, wem wir im öffentlichen Raum Sichtbarkeit geben und wie wir als Stadt mit der Erfahrung von sexueller und sexualisierter Gewalt und deren Folgen umgehen.

 

Wie sind wir im Petitionsausschuss und im Wiener Gemeinderat damit umgegangen? - Am 14. November wurde die Petition im Petitionsausschuss vorgetragen. Am 20. November, sechs Tage später, wurde hier im Wiener Gemeinderat auf Grund des kurzfristigen Handlungsbedarfs und des Respekts gegenüber den Opfern von Helmut Kand einen Allparteienantrag einstimmig angenommen und haben wir die rasche Umgestaltung beschlossen. Wenige Tage später wurde das Wandbild im öffentlichen Raum übermalt. Unser rasches Handeln ist ein klares Signal an Betroffene von sexueller und sexualisierter Gewalt: Wir hören euch, wir glauben euch, und wir handeln! Es hat keine zehn Tage gedauert, und das Bild war weg. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)

 

Das soll auch ein Signal an die gesamte Gesellschaft sein. Wir schauen nicht weg, nicht, wenn es um sexualisierte Gewalt geht, nicht, wenn es um Machtmissbrauch geht. (Zwischenruf von Abg. Dr. Markus Wölbitsch, MIM.) Und wir schauen schon gar nicht weg, wenn es um die Frage geht, wessen Geschichten wir im öffentlichen Raum erzählen. Der öffentliche Raum ist nämlich nicht neutral, sondern er spiegelt wider, wen wir ehren, welche Perspektiven wir sichtbar machen, wessen Stimmen gehört werden. Und genau deshalb war es so wichtig, klarzustellen, dass ein verurteilter Sexualstraftäter keinen Platz als repräsentative Figur im öffentlichen Raum hat, nicht an einer Häuserwand, nicht als künstlerisches Aushängeschild und schon gar nicht als Teil unseres kollektiven Gedächtnisses. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)

 

Für den Fall, dass jemand auf die Idee kommt, diesfalls von Cancel Culture zu sprechen, sage ich nein, das ist nicht Cancel Culture, sondern das ist eine Kultur der Verantwortung, eine Kultur des Zuhörens, eine Kultur des Hinschauens und eine Kultur des respektvollen Umgangs mit denjenigen, die viel zu lange überhört worden sind oder gar zum Schweigen gebracht worden sind. Und ich möchte allen danken, die sich für diese Petition stark gemacht haben, den InitiatorInnen, den Unterstützern und den Unterstützerinnen, den Mitgliedern des Petitionsausschusses und allen Kolleginnen und Kollegen hier im Wiener Gemeinderat, die dafür gesorgt haben, dass zehn Tage nach Vortragen dieser Petition dieses Bild aus dem öffentlichen Raum verschwunden ist. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)

 

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