Trauerakt
vom 08.11.2006 - Seite 2 von 4
offensichtlich, sondern einen
starken Sturm von Gewalt und Faschismus geben wird.
Aber er ist auch in ein Wien
hineingeboren, das vielen Hoffnung gab, soziale Hoffnung, und soziale Wärme
ausstrahlte. In ein Wien, zu dem er sich immer wieder auch als dem roten Wien
bekannte in seinen Erzählungen und in seinen Reden. Natürlich auch in ein Wien
und in eine Zeit, das das Jahr 1934 kannte, das er als Sechsjähriger sicherlich
nicht mit dem Bewusstsein erleben konnte und verarbeiten konnte wie andere
Menschen, die älter waren. Er hat verstanden, zumindest als Kind, dass diese
Phase anders war als sonst und dass es eine Zeit danach gegeben hat, die auch
anders war.
Und als Zehnjähriger, so sagte er
es mir, war die Welt für ihn überhaupt plötzlich anders, als er Zwangsdeutscher
wurde. Das hat er als Kind, als junger Mensch sehr wohl verstanden, was das
Jahr 1938 bedeutet hat; das begriff er. Es war für einen jungen Menschen, der
noch in schulischer Ausbildung stand, sicherlich auch erkennbar, was sich hier
abgespielt hat. Plötzlich zu erleben, dass andere ausgegrenzt und verspottet
werden auf Grund ihrer Religion oder anderer Meinungen. Dass Menschen in der
Umgebung verschwanden und man nicht darüber reden durfte, was da passiert ist.
Er sagte mir auch, dass man dann sehr wohl auch Hinweise bekommen hat, wenn es
in der Umgebung Selbstmorde gegeben hat von Menschen, die keinen anderen Ausweg
fanden, die Zeit durchzustehen, als ihr eigenes Leben zu beenden. Und dass es
erneut einen Krieg gab, von dem er nicht nur aus der Geschichte wusste, dass es
so einen gegeben hat, sondern den er dann als junger Mensch besonders auch
erleben musste, prägte ihn.
Es wundert niemanden und es haben
alle verstanden, dass er 1945 als Siebzehnjähriger dann auch so empfunden hat,
mit dabei sein zu wollen bei der Aufgabe, ein neues Österreich, ein neues Wien,
ein demokratisches Österreich, ein demokratisches Wien wieder zu errichten und
dass hier auch die jungen Menschen mitzutun haben und die Chance ergreifen
sollten. Er fühlte sich verpflichtet, er trat auch, wie wir gehört haben und
wissen, der Sozialistischen Jugend bei. Der Sozialistischen Partei stellte er
sich als Mitarbeiter zur Verfügung.
Sein Talent und seine Möglichkeiten, seine Gesinnung und Lauterkeit
wurden sehr rasch anerkannt und führten in dem Bezirk, in dem er tätig war,
auch sehr bald zu höchsten Funktionen. Höhepunkt war 1971 die Wahl zum
Bezirksparteiobmann, aber bereits vorher, das Vertrauen seiner Wählerinnen und
Wähler genießend, in den Wiener Gemeinderat einzuziehen. Der vor noch nicht
allzu langer Zeit verstorbene Vorgänger als Parteiobmann vor ihm, Leopold
Gratz, hatte ihn 1973 nach der Gemeinderatswahl als Finanzstadtrat, als
Wirtschaftsstadtrat nach Wien geholt, in eine Aufgabenstellung, die er 21 Jahre
lang in ausgezeichneter, in sehr guter, nicht immer beliebter oder
unumstrittener Art ausgeübt hat, aber mit reinem Gewissen, mit großer
Überzeugung. Natürlich war es auch eine Anerkennung, zum Vizebürgermeister und
Landeshauptmann-Stellvertreter gewählt zu werden.
Wenn ich heute auch für die
Abgeordneten hier zu sprechen habe, dann gehörte er auch zu jenen, die nicht
vergessen haben, dass er selbst auch als Abgeordneter tätig war und dass diese
Frage der parlamentarischen Demokratie auch in den eigenen Bereichen eine sehr
wichtige ist.
Wer ihn kannte, wusste, dass ein
Ja ein Ja ist, aber wenn er noch nicht überzeugt war, wusste man auch, man
konnte es mit ihm ausstreiten oder ihn überzeugen. Wenn er dann überzeugt
wurde, hat er kein Problem dabei gesehen, auch nachzugeben und sich für das,
was er zuvor mit Skepsis betrachtet hat, auch zu engagieren und einzusetzen.
Der Mensch Hans Mayr, und viele
wissen das sehr genau, konnte beides sein, schwierig und offen, schroff und
herzlich, aber grundehrlich und in seinem Bemühen auch hilfreich. Er verschwieg
sich nicht, und wir wissen auch, dass es ihn nicht hinderte, einem Streit nicht
aus dem Wege zu gehen, wenn es darauf ankam, in der eigenen Parteifamilie, in
der eigenen Gesellschaft, aber auch mit anderen, die Sachen offen und deutlich
auszutragen. Das war, glaube ich, auch eine Vorbildhaltung; denn man konnte
Vertrauen zu ihm haben. Ein Vertrauen, das er sich errang und wenn er zu
jemandem Vertrauen gefunden hatte, war er auch extrem loyal. Voll von Ideen
suchte er nach gemeinsamen Lösungen und was ihn wirklich betroffen machte, war,
wenn er erkennen konnte, dass man Menschen in schwierigster Situation trotz
finanzieller und technischer Möglichkeiten in Wirklichkeit seelisch nicht helfen
konnte oder Gutes nicht finanzieren konnte, was auch wichtig gewesen wäre für
Einzelne.
Es wird schon manche geben, die
in der Erinnerung sagen, er hat Fehler gemacht. Wer macht sie nicht? Und vor
allem, wer weiß, ob zu dem Zeitpunkt, wo man etwas tut, es bereits ein Fehler
ist? Getragen war es von der Absicht, Positives zu bewirken und das war
eigentlich ein Grundleitmotiv. Positiv zu wirken und mitzuhelfen, dass sich
manches nicht wiederholt, was sich in seiner frühesten Jugend- und Kindheitszeit
an politischem Geschehen ereignet hat. Daher war auch seine Aussage, die man
zuvor gehört hat zur Demokratie, auch wenn sie eine schwierige politische
Staatsform ist, ein ganz wichtiges Bekenntnis, denn ohne sie gibt es nicht die
Chance für die Menschen, in Glück und in Sicherheit leben zu können.
So
wird er uns in Erinnerung bleiben - als ein Abgeordneter, als ein Funktionär,
als ein Regierungsmitglied, als ein Parteiobmann, als einer, der ganz einfach
da war, wenn man ihn brauchte und
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