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Trauerakt vom 8.11.2008  -  Seite 3 von 5

 

süchtig nach der Frischzelle Öffentlichkeit. Kein anderer konnte Peinlichkeiten so zu Eigenarten veredeln.

 

Wir lernten einander näher im Kreise der Qualtinger/Bronner/Martini/Kreisler kennen, die „Eden" war unser Nachtquartier, der Quasi las uns die jeweils jüngsten Absätze des Herrn Karl vor, den er damals gemeinsam mit Merz schrieb. Vom Österreichischen Rundfunk, lang vor dem ORF, interessierten mich damals Mauthes und Teddys Watschenmann, Neubergs herrliche Fußballregie und Zilks Stadtgespräche. Letztere waren zumindest europäische Uraufführungen. Ein souveräner Zilk nahm Bonzen den Atem.

 

Helmut Zilk war kein Vergangenheitsbewältiger, er war ein Gegenwartsbewältiger. Ihm sind der Hrdlicka vor der Albertina und das Jüdische Museum genauso zu danken wie das Denkmal in Stalingrad für die dort im Zweiten Weltkrieg gefallenen Österreicher. Ihn kümmerten nicht frühere, sondern jetzige Nazi. Er war ein tätiger Freund der Ausländer, aber er verstand den Unterschied zwischen Ausländerhass und Ausländerangst. Er war gegen Ausgrenzung und mit Jörg Haider per Du, aber das war er ja mit jedem.

 

Helmut Zilk war ein fulminanter Fernsehdirektor. Zirkusdirektor kann man nicht erlernen, als solcher kommt man auf die Welt. Helmut herrschte wie alle guten Kulturkutscher. Im deutschsprachigen Fernsehen kannte ihn jeder. Der weltweite Auftritt des ORF im Prager Frühling war nicht zuletzt Helmut Zilks Netzwerk in der CSSR zu danken. Ich nenne nur den Namen Jiri Pelikan.

 

Helmut Zilk war der Begründer der in Europa beispiellosen Koproduktionsachse mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen und mit der ARD. Dank dieser Koproduktionen konnten wir die halbe österreichische Nationalliteratur verfilmen. Wir brachten die Stoffe und sie das Geld. Für viele nenne ich die Namen Corti, Kellmann, Szyszkowitz. Helmut verwandelte die Koproduktionstagungen in Kultur-Mulatschags. Als einmal in Figls Heimathaus im Tullnerfeld die Koproduktion tagte, tanzten ernste Deutsche auf den Tischen. Während man uns wegen unvermeidlichen Erfolges feuerte, hätte Zilk gewiss die Beziehungen gehabt, bleiben zu können. Er meinte: „Wir sind miteinander gekommen und wir gehen miteinander."

 

Acht Jahre zuvor hatte man mir von selber Adresse gesagt: „Wenn Sie nicht Freund, sondern Zilk als Fernsehdirektor nehmen, werden wir Sie nicht wählen.“ Ich nahm Zilk und wurde gewählt.

 

1978 kandidierten wir beide gegeneinander für den Generalintendanten. Da ich gewann, wurde er Bürgermeister von Wien. Der Wiener Bürgermeister war sein Traum. Einfach lachhaft, ihn heute nur als den genialen Verkäufer hinzustellen; die Einfälle hätten andere gehabt.

 

Erstens hatte Helmut Zilk Einfälle genug, manchmal mehr als genug.

 

Zweitens ist das ja wohl ein Idealzustand, wenn Politiker die guten Einfälle anderer verwirklichen.

 

Als die Berliner Mauer fiel, hisste Helmut Zilk auf dem Wiener Rathaus die schwarz-rot-goldene Fahne. Er rief mich an: „Ein paar Trotteln werden mich schon anfeinden, aber die wissen sicher nicht, dass Schwarz-Rot-Gold die Farben von 1848 sind. Würdest du bitte deinen Freund Helmut Kohl anrufen und ihm davon erzählen." Eine Stunde später hält der Wiener Bürgermeister ein langes Telegramm in Händen, das durch den deutschen Blätterwald rauschte, ein Danktelegramm des Deutschen Bundeskanzlers.

 

Der Wiener Bürgermeister machte auch Außenpolitik. Ich war dabei, als Zilk am Tiefpunkt der israelisch-österreichischen Beziehungen zum legendären Teddy Kollek flog. Der Wiener Bürgermeister redete dem Jerusalemer Bürgermeister eine Stunde lang nicht ins Gewissen, sondern ins G´müt. Zu Beginn musterte Kollek den seltsamen Besucher mit erstauntem Misstrauen, am Schluss wurde eine Freundschaft fürs Leben geschlossen und für Österreich.

 

Noch eine Begebenheit von geradezu Schwejk´scher Qualität. Als man die letzte Bundesheerreform verhandelte, baten die Generäle, die g’scheiten Generäle, den weißen Jahrgang Helmut Zilk, das Verhandlungspräsidium zu übernehmen. Die Armee brauchte Autorität.

 

Das ist kein Zynismus. Das Attentat war wie ein Wahrheitsbeweis auf sein ausgesetztes Leben. Handschuh und Krawatte im selben Muster – so bin ich, nur nicht unterkriegen lassen.

 

Zum Schluss das Wichtigste: Die Liebe seines Lebens war die Dagmar Koller. Du hättest einmal hören sollen, wie er in deiner Abwesenheit über dich sprach. Es fiel in Ungnade, wer deine großen Auftritte versäumte. Ich lernte dich in Helmut Zilks Fernsehbüro kennen. Na servas, dachte ich mir, da kommen zwei Lipizzaner zusammen. Das kann auf die Dauer nicht gut gehen. – Es ging herrlich. Wir verbeugen uns vor dir für die letzten Jahre an seiner Seite.

 

Ich glaube, es stammt von Cocteau: „Es gibt keine Liebe, es gibt nur Beweise der Liebe." – Du hast sein Leben verlängert, mehr kann ein Mensch nicht tun.

 

Lieber Helmut, Deine schöne Stadt vergisst schnell. Dich wird sie nicht vergessen.

 

Die Wiener Sängerknaben untermalten mit dem Musikstück „Tota pulchra est“ von Maurice Duruflè. Es folgten weitere Trauerreden von Präsident der Tschechischen Republik a D Václav Havel und Bundespräsident Dr Heinz Fischer.

 

Präsident der Tschechischen Republik a D Václav Havel: Herr Bundespräsident! Frau Dagmar! Liebe Anwesende!

 

Ich bin gekommen, um Abschied zu nehmen von einem Menschen, den ich, und ich wage es, als meinen Freund bezeichnen möchte. Aber viel wichtiger als dass er mein Freund war, ist, dass er der Freund unseres Landes war, der Tschechoslowakei und dann der Tschechischen Republik. Er hat sich sehr lange und sehr engagiert verdient gemacht um die Vertiefung verschiedener Beziehungen, vor allem der Kulturbeziehungen unserer Länder.

 

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