Gemeinderat,
45. Sitzung vom 01.07.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 45 von 93
fast automatisch zu einer Aufnahme in ein Pflegeheim. Diese Situation ist unbefriedigend und konnte in den letzten Jahren durch verstärkten Einsatz von qualifizierten mobilen Pflegekräften einerseits und die Beschaffung von Einrichtungen zum Zwecke der Rehabilitation und Mobilisierung andererseits verbessert werden. Ohne Zweifel kommt der ambulanten Pflege sowohl bei der Erhaltung der Selbstständigkeit beziehungsweise der Unterstützung der Angehörigen als auch bei der Möglichkeit, ins eigene Heim wieder zurückzukehren, eine Schlüsselrolle zu. Hier werden unsere Bemühungen um eine Verbesserung des Leistungsangebots ansetzen müssen.
Konnte die Anzahl der betreuten Personen von
5 500 im Jahr 1998 auf 7 000 im vergangenen Jahr - immerhin eine
Steigerung um 27 Prozent – erhöht werden, so gehe ich 2010 von etwa
10 000 Kunden und Kundinnen aus, was eine Verdoppelung innerhalb von
12 Jahren bedeutet. Und dies wird in diesem Bereich noch nicht der
Endpunkt sein. Ähnliches gilt für geriatrische Tageszentren. Hier gehe ich 2010
von einer Steigerung der betreuten Personen um 40 Prozent aus.
Auf ein Spezialproblem möchte ich aufmerksam machen,
nämlich auf jene Menschen, die bisher aufgrund so genannter sozialer
Indikation, zum Beispiel weil sie über kein geordnetes Zuhause verfügen, in
einem Pflegeheim aufgenommen wurden, obwohl sie gar keinen besonderen
Pflegebedarf aufgewiesen haben. Ich stehe zur gesellschaftlichen Verantwortung,
auch für diese Menschen zu sorgen, ich denke aber, dass die Aufgabe, nämlich
diesen entwurzelten Personen ein neues Zuhause zu geben, von spezialisierten,
gemeinnützigen Einrichtungen besser geleistet werden kann als von städtischen
Pflegeheimen, die ja offensichtlich ein bisschen als Notnagel verwendet wurden
und wo eine spezifische Betreuung sicher auch für Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter besser ist.
Das geriatrische Versorgungssystem der Stadt basiert
also auf dem Ineinandergreifen einer Vielzahl von Maßnahmen: Von der
angesprochenen Pflege zu Hause über geriatrische Tageszentren, Betreutes Wohnen
bis zur unglaublich wichtigen stationären Pflege. Unsere Aufgabe ist es, die
einzelnen Teile nicht nur unabhängig voneinander zu sehen, sondern das System
als Ganzes im Auge zu behalten. Meiner Ansicht nach kommt gerade den stark in
Entwicklung befindlichen Mischformen von stationärer und ambulanter Pflege wie
zum Beispiel Betreutes Wohnen, intergenerative Wohnformen und ähnliches
besondere Bedeutung zu. Da wird es unsere Aufgabe sein, die Instrumente weiter
zu schärfen. Ich denke an besondere Förderschienen im Rahmen der
Wohnbauförderung, aber auch daran, vorhandene Ressourcen der geriatrischen
Nahversorgung zu nutzen. Es muss einfach selbstverständlich sein, dass
verschiedene, nach örtlichen Gesichtspunkten ausgesuchte Pflegeeinrichtungen
neben den spezialisierten Organisationen der Stadt als Stützpunkt für die
Versorgung mit mobilen Dienstleistungen fungieren. Das bedarf natürlich einer
exakten Ressourcenanalyse und Planung, welche in allernächster Zeit
durchgeführt werden wird.
Expertinnen des Magistrats schätzen den Bedarf an
stationären Pflegeplätzen bei Beibehaltung des derzeitigen Niveaus der mobilen
Leistungen auf etwa 12 300 Plätze. Das ist gegenüber dem derzeitigen
Stand ein Anstieg von zusätzlichen 1 000 Plätzen oder 8 Prozent.
Auch wenn ich es für möglich halte, diese Zahl durch verstärkten Ausbau der
ambulanten Leistungen zu reduzieren, muss im Hinblick auf die demographische
Entwicklung jedenfalls aus heutiger Sicht im nächsten Jahrzehnt mit einem
derartigen Bedarfsanstieg im stationären Bereich gerechnet werden.
Für die Qualität der stationären Pflege gilt für mich
Folgendes: Stationäre Pflege und Betreuung müssen nicht nach dem Vorbild der Krankenanstalten
organisiert und verwaltet werden. Medizin und Therapie ist unendlich wichtig
und soll dann angeboten werden, wenn sie von den Bewohnerinnen und Bewohnern
gebraucht werden. Im Vordergrund sollen Lebens- und Wohnqualität stehen, nicht
Krankenhausatmosphäre, wenn diese hohen Angebote nicht notwendig sind.
Die Schwerpunktsetzung auf Wohn- und Pflegequalität
heißt nicht, dass es in diesem Bereich keine spezialisierte medizinintensive
Pflege geben soll, ganz im Gegenteil! Den Platz des Krankenanstaltenverbunds
sehe ich künftighin im hochschwelligen Pflege- und medizinintensiven Bereich.
Hier kann der KAV seine Stärke, die insbesondere in der permanenten ärztlichen
Betreuung liegt, voll ausspielen.
Die übrige stationäre Pflege sehe ich auf Sicht
primär in Kooperation mit privaten gemeinnützigen Betreibern. Diese
Vorgangsweise bedeutet natürlich, dass die Ausrichtung und die Anzahl der
Pflegebetten im KAV schrittweise und unter gleichzeitigem Aufbau privater
Kapazitäten im Sinne der Patientinnen und Patienten bedarfsgerecht
umstrukturiert werden muss und das alles unter gleichzeitiger Anhebung der
Wohnqualität, was ein beträchtliches Investitionsvolumen von geschätzt über
200 Millionen EUR bedeuten wird. Und - um auch das anzusprechen - was
die Größe der Organisationseinheit betrifft, so stimme ich den Vorschlägen des
Kontrollamtes voll zu, dass diese entsprechend zu verringern ist. Die
optimalste Größenordnung liegt sicher bei ungefähr 300 Betten. Ich sage
aber auch in aller Offenheit, ich denke nicht, dass wir ohne einige größere
Einrichtungen auskommen werden.
Was das vieldiskutierte Geriatriezentrum am
Wienerwald betrifft, so gehe ich davon aus, dass es das GZW als
Pflegeeinrichtung weiter geben wird, allerdings in deutlich verkleinerter Form.
Damit meine ich, dass es dort 2010 eine hochspezialisierte, hochschwellige
Pflegeeinrichtung mit unter 1 000 Betten geben wird und für einen
Zeitraum von 10 Jahren sollten wir uns eine weitere Verkleinerung auf
zirka 500 Plätze vornehmen. Auch das Pflegeheim Baumgarten sollte, so
meine ich, von derzeit rund 800 auf 600 Plätze reduziert werden, während
im Pflegeheim Liesing überhaupt ein Neubau überlegt wird.
Berücksichtigt man die
Umstrukturierungen innerhalb
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