Gemeinderat,
47. Sitzung vom 22.10.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 17 von 82
betroffenen
Bezirke gerichtet haben unter dem Titel "Dringend!" Hier nur ein
einziger Satz: „Wir bedauern es sehr, dass wir unser Service für den Rest des
Jahres nicht mehr allen Opfern anbieten können, zumal bei Gewalt in der Familie
intensive und nachgehende Betreuung nach Polizeieinsätzen notwendig ist, um
weitere und schwere Gewalttaten sowie Morde und Mordversuche zu verhindern.
Daher fällt uns der Schritt der Einschränkung sehr schwer, ist jedoch auf Grund
des Mangels an Personalstellen derzeit unvermeidlich."
Ich wollte
Ihnen das zitieren, um auch Ihnen das Gefühl dafür zu geben, wie wichtig
tatsächlich für die betroffenen Frauen, die sich in einer akuten Krise
befinden, die Arbeit der Interventionsstellen ist.
Jetzt – das muss man hier auch sagen – kam vor ein
paar Tagen, vor zwei oder drei Tagen, plötzlich die Nachricht, dass für heuer
doch wieder dieser Ausgleich geschaffen wird vom Innenministerium. Das ist
sicher besser als gar nichts, sage ich jetzt einmal, das ist aber auch eine
unhaltbare Situation für die NGOs und letztendlich für die Frauen in dieser
Stadt. Sie müssen sich vorstellen, dass erstens einmal bereits ein halbes Jahr
keine Betreuung stattgefunden hat, das heißt, rund tausend Frauen sind
unbetreut in dieser furchtbaren Situation. Zweitens wissen die NGOs, die vor
allem diese wertvolle Arbeit leisten, von einem Monat auf den anderen einfach
nicht, wie sie arbeiten können. Das ist eine unhaltbare Situation. So geht man
mit professionellen Organisationen nicht um, vor allem aber auch nicht mit den
Betroffenen, mit den Frauen in dieser Stadt. (Beifall bei der SPÖ.)
Der
Ausgleich, der jetzt doch vielleicht oder auch nicht – so genau weiß man das ja
nie bei dieser Bundesregierung – ausgesprochen wurde, hilft aber nicht
wirklich, denn – und da sage ich Ihnen nur die Zahlen für Wien – die
Interventionsstelle hat im Jahr 2002 noch 2 477 Frauen und
Kinder betreut, im Jahr 2003 waren es insgesamt schon
2 700 Frauen. Das heißt, Sie sehen, wie die Zahlen in die Höhe gehen.
Auch für heuer weiß man, dass die Zahlen noch einmal in die Höhe gestiegen
sind. Das heißt, hier ist ganz, ganz dringender Handlungsbedarf, und ich
fordere auch den Innenminister von dieser Stelle aus auf, nicht nur das Budget
gleich zu lassen, denn wir brauchen viel, viel, viel, viel mehr, sondern die
Arbeit dieser Interventionsstellen erfolgt eigentlich auch im gesetzlichen
Auftrag des Bundes. Ich fordere daher dazu auf, hier wirklich jene Mittel zur
Verfügung zu stellen, die die Interventionsstellen brauchen, aber auch diese
Stellen langfristig abzusichern und, so wie wir das in Wien tun, wieder
Dreijahresverträge einzuführen, damit die Verantwortlichen – meistens Frauen –
dieser Vereine nicht von einem Monat auf den anderen immer zittern müssen und
vor allem permanent Kündigungen anmelden müssen.
Eine kleine Geschichte am Rande, die ich für
besonders zynisch halte: Dass der Herr Finanzminister vor ein paar Tagen in
seiner Budgetrede als besonderes Kapitel unter dem Thema Gender Budgeting die
Interventionsstellen hervorhoben hat, habe ich, ehrlich gesagt, als mehr als
zynisch empfunden und weise das wirklich aufs Schärfte auch zurück.
Aber die Interventionsstellen sind nicht die
Einzigen, die von Kürzungen betroffen sind, und ich zähle Ihnen jetzt nur ein
paar auf.
Die österreichweite Helpline: Kürzung der monatlichen
Gesamtstunden um 70, Kündigungen derzeit angemeldet, weil Zukunft unklar.
Verein Selbstlaut, jener Verein, den Sie
wahrscheinlich kennen, weil ihn auch die Stadt Wien fördert und dessen Aufgabe
die Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch ist: Kürzung um ein Viertel im
Jahr 2003, Ansuchen für das Jahr 2004 bisher nicht bewilligt.
Verein Ninlil – die sind mir besonders wichtig, weil
sie die Einzigen in diesem Lande sind, die sich mit sexueller Gewalt gegen
behinderte Frauen beschäftigen, aber nicht nur beschäftigen, sondern jene
betroffenen Frauen auch betreuen: Kürzung gegenüber dem Jahr 2003 um ein
Drittel.
Verein Tamar, eine Beratungsstelle für sexuell
misshandelte und missbrauchte Kinder: Im Jahr 2004 um ein Drittel gekürzt.
Verein White Ribbon – wir haben vor kurzem hier eine
Subvention beschließen dürfen; der einzige Verein, in dem auch Männer sich
sozusagen aktiv gegen Gewalt aussprechen: Für das Jahr 2004 wurden alle Anträge
vom Bund abgelehnt.
Und jetzt frage ich Sie: Wo ist eigentlich die
Frauenministerin? Ich höre nichts, ich sehe nichts, die Frauenministerin
schweigt. Frauenpolitik findet in diesem Land offensichtlich nicht mehr statt,
und es gibt mittlerweile auch niemanden mehr vom Bund, nicht einmal mehr die
Frauenministerin, die dazu Worte findet, aber das beweisen auch die Zahlen.
Ganz kurz nur eine Zahl, die uns leider die letzten drei, vier Jahre schon
begleitet. Wien gibt für Frauenförderung doppelt so viel Geld aus, wie der Bund
für ganz Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)
Danke für den Applaus. Das ist zwar schön für die
Wienerinnen, das ist allerdings eine wirkliche Dramatik für die
Österreicherinnen, denn für Frauenförderung gibt es im Bund kein Geld. Das
sagen auch die neuesten Zahlen wieder ganz deutlich. Doch während der Bund
kürzt – ich habe nur ein paar hier anzuführen versucht, um zu zeigen, wie
dramatisch diese Kürzungen sind –, hat Wien in den letzten zwei Jahren, nämlich
ganz konkret vom Jahr 2002 bis zum Jahr 2004, im Gewaltschutzbereich das Budget
um 14,6 Prozent gesteigert. Das heißt, wir nehmen unsere Verantwortung
wahr.
Ich halte das auch für einen der
wesentlichsten Bereiche – aber nicht nur ich –, und ich möchte Ihnen nur ganz
kurz zum Abschluss noch eine Studie zitieren, was sich nämlich die
Österreicherinnen in diesem Land wünschen. Es wurde im Frühjahr dieses Jahres
eine Umfrage unter tausend Österreichern durchgeführt, wo unter anderem auch
gefragt wurde, was so die wichtigsten Themen für die Frauen in Österreich sind.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen, auch mich hat es überrascht, dass bereits an
zweiter Stelle nach dem Thema "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" der
Wunsch nach "Geld für
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