Gemeinderat,
51. Sitzung vom 17.12.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 10 von 89
Wir hatten erst vor kurzer Zeit eine große Tagung zur Frage "bildungspolitische Schwerpunkte im Kindergarten" - ich sage jetzt bewusst nicht "Lehrplanfragen", denn wir werden im Kindergarten nie und nimmer einen Lehrplan haben, aber es geht um die Schwerpunktsetzungen, um die Standards, um die Inhalte. Wir haben dort von einem, wie ich meine, hoch qualifizierten Beauftragten der OECD gehört, dass diese Diskussion eine weltweit aktuelle ist und dass auch er unseren Ansatz teilt, dass man nicht beim Eintritt in die Schule einen Bruch machen sollte, sondern zumindest die ersten 10°Jahre als Ganzes sehen soll, woran sich dann nahtlos die Frage anschließt: Welche Schulformen gibt es für die 10- bis 18-Jähringen? - Er reiht sich damit genau ein in die Diskussion um die Ergebnisse der PISA-Studie, die wir führen und die ich persönlich seit Jahren führe.
Ich sage, es muss ein gesamtheitliches Konzept sein,
eines, das die Persönlichkeit, die individuelle Förderung in den Vordergrund
stellt - und dabei haben selbstverständlich auch die außerschulischen Angebote
mitzuwirken. Gerade in Wien ist es so, dass es – und ich erspare mir jetzt die
Aufzählung, denn Sie kennen sie ja, und wenn nicht, dann kann es in Berichten
nachgelesen werden – eine Vielfalt an außerschulischen Angeboten gibt, vom
Sport bis zur Kreativität, von der Persönlichkeitsbildung bis zur Förderung und
zu den Zusatzangeboten, zum Beispiel im Bereich neuer Medien, und dass sich die
Förderung erstreckt von den Volksbildungseinrichtungen bis hin zu den
Jugendzentren, von Angeboten, die sich zur Lesekompetenz über die Büchereien
äußern, bis hin zur Kreativität, die sich in der Museumspädagogik, in der
Theaterpädagogik widerspiegelt. Es gibt also wirklich ein flächendeckendes
Angebot in Wien.
Freuen würde ich mich darüber, wenn wir wirklich in
eine ernst zu nehmende Bildungsdiskussion einsteigen würden, aufbauend auf den
Ergebnissen, die auch die Zukunftskommission, die seitens des
Bildungsministeriums eingerichtet wurde, entwickelt hat, unabhängig von
parteipolitisch festgefahrenen Linien - wie sich ja auch, wie sich anhand von
Meinungsäußerungen und Stellungnahmen aus den Bundesländern zeigt, nicht mehr
an den bisher gezeichneten Linien festhalten lässt -, wenn wir in eine solche
Diskussion einsteigen würden, aufbauend auch auf der Bildungsplattform, die wir
in Wien gemeinsam mit den Elternvertretern, den Schülervertretern und den
Pädagoginnen und Pädagogen haben, wenn wir uns hier zu einer gemeinsamen
Diskussion finden würden, die auch in Ergebnissen mündet, die wir dann auch
umsetzen - und zwar auf der Basis dessen, dass Bildungsentscheidungen
Bundesentscheidungen sind. Darüber würde ich mich sehr freuen und würde dieses
kleine Weihnachtsgeschenk in Anspruch nehmen.
Vorsitzender GR Günther Reiter:
1. Zusatzfrage: Herr GR Ing RUDOLPH.
GR Ing Herbert RUDOLPH (Klub
der Wiener Freiheitlichen): Frau Vizebürgermeisterin! Zwei einleitende
Bemerkungen.
Zum einen: Ich bin auch der Meinung, dass es überall
dort, wo es bildungspolitische Gräben gibt, die sich über Jahre, Jahrzehnte gebildet
haben, notwendig ist, dass man quer darüber die Geleise legt, um aus diesem
Bereich einmal herauszukommen. Diese Diskussion wird sicherlich
notwendigerweise zu führen sein. Die, die in diesen Gräben verbleiben, haben
wahrscheinlich auch die Zeichen der Zeit nicht erkannt.
Zum Zweiten, zu Ihren einleitenden Bemerkungen: Sie
haben hier Gemeinsamkeiten festgestellt oder wollen Gemeinsamkeiten
feststellen, wo ich sage: Da hat es nie unterschiedliche Auffassungen gegeben,
denn dass das Lernen erstens etwas Ganzheitliches und zweitens etwas einen das
ganze Leben lang Begleitendes ist, war nie eine Frage des Dissenses. Dass es in
unserer entwickelten Gesellschaft in verschiedenen Formen der Organisation
stattfindet, ist halt ein Phänomen der geschichtlichen Entwicklung. - Dies sei
einmal vorangestellt.
Ich will, weil wir das heute in der Aktuellen Stunde auch noch
diskutieren, jetzt gar nicht so sehr auf den vorschulischen Bereich eingehen,
sondern – und das ist schon auch eine Konsequenz der PISA-Studie – auf jene
Bereiche, wo ich meine, dass Sie auch die Möglichkeiten haben, hier sehr
konkrete Maßnahmen zu setzen: Zum Beispiel, dass die Einrichtungen im
außerschulischen Jugendbereich, insbesondere dann, wenn sie auch Fördermittel
der Stadt Wien bekommen, dazu verhalten werden – ich will das jetzt gar nicht
schärfer formulieren –, etwa mit schulischen Einrichtungen ganz konkret in
Lernkooperationen einzutreten, etwa Tutorien-Systeme aufzubauen, sodass unter
Umständen im Bereich von Lernprozessen, die im Rahmen der Schule oder auch im
Rahmen des familiären Umfeldes wenig gefördert werden, in einem Rahmen, der
außerhalb der Schule liegt, wo aber die Gleichaltrigen oder nahezu
Gleichaltrigen, ein wenig Älteren mit einbezogen werden, Impulse gesetzt
werden, damit sehr wohl ins Stocken geratene Lernprozesse wieder in Schwung
kommen.
Vorsitzender GR Günther Reiter: Frau
Stadträtin, bitte.
VBgmin Grete Laska:
Auch hier: Ein offenes Wort und ein Angebot zur Diskussion. Ich glaube nur,
dass der Dissens hier schon darin besteht, dass man sich fragt: Was ist Aufgabe
der Schule? Ist es Aufgabe der Schule, lexikales Wissen zu vermitteln, wo man
dann in Kooperation und in Tutorensystemen mit außerschulischen
Jugendeinrichtungen versuchen soll, mit den Kindern das zu erarbeiten, was dann
lexikal auch wieder abgeprüft wird? Oder ist es nicht vielmehr Aufgabe der
Schule, entsprechend den Vorgaben des "Lernen Lernens" Schülerinnen
und Schülern die Kompetenz zu vermitteln, sich selbst Wissen anzueignen, nicht
im Individualsystem, nicht in einem selektiven System, wie es die
österreichische Schule derzeit ist, sondern in einem System des gemeinsamen
Erarbeitens jene Kompetenz zu vermitteln, die in Wirklichkeit dann auch für das
weitere Leben notwendig ist, jene Kompetenz, die in Wirklichkeit auch für das
lebenslange Lernen notwendig ist, nämlich zu erlernen: Wo kann ich Wissen
erwerben? Wie kann es einsetzen? Und welche persönlichen Fähigkeiten habe ich,
die für meine weitere
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