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Gemeinderat, 53. Sitzung vom 25.02.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 22 von 102

 

wenn man pleite geht, und es gibt nun mal auch viele Pleiten im berühmten dritten Jahr, dann gibt es de facto nichts, wo weiters darunter nicht nur viele Frauen sind, sondern auch viele junge Menschen, viele junge Familien mit Kindern, die dann plötzlich vor dem absoluten Aus stehen. Sie rutschen wirklich direkt in die Armut ab.

 

Im Übrigen: Die äußerst beeindruckenden Zahlen des jüngsten Sozialberichts belegen es auch, dass Armut wächst und Armut wächst mitunter auch aus dieser Gruppe, wo wir in Wien eine schwindende Nahversorgung haben, viel zu teure Mieten haben, eine kontraproduktive Planungspolitik, also Widmungspolitik in diesem Fall haben, immer mehr Einkaufszentren und und und. Die Liste der Probleme ließe sich beliebig ergänzen. Viele beklagen sich über mangelnde Kinderbetreuungseinrichtungen. Fortbildungsmöglichkeiten sind kaum gegeben, nicht weil es sie nicht gibt, sondern weil man es sich nicht leisten kann, weil man nicht einmal krank werden darf, weil man es sich überhaupt kaum leisten kann, Arbeitsunterbrechungen sozusagen in Kauf zu nehmen und sich fortzubilden.

 

Wie gesagt, ich könnte noch länger erzählen, was es für Schwierigkeiten gibt. Die Frage, die sich stellt, ist: Erinnern wir uns alle paar Jahre daran oder tun wir etwas, und zwar immer dann, wenn wir die Möglichkeit haben, es zu tun, nämlich zwischen den Wahlen?

 

In einem Punkt muss ich dem Kollegen Strobl beipflichten. Der Bund tut es nicht, denn er vertritt bekanntlich andere Interessen. Ich brauche nicht all das vorzutragen, was Sie schon vorgetragen haben. Das kann ich alles unterstützen. Ich kann nur sagen, man könnte natürlich die Selbstbehalte streichen oder zumindest eine Gruppe daraus befreien. Man könnte eine Arbeitslosenversicherung vorantreiben. Man könnte eine Grundsicherung für alle andenken, weil wir bekanntlich auch neue soziale Absicherungssysteme brauchen, in einem Land, wo der Mittelstand vorgeht. Man könnte vieles tun. Man tut es nicht.

 

Aber Wien will ich auch nicht aus der Pflicht der Verantwortung entlassen, meine Damen und Herren. Auch in Wien könnten wir die Wirtschaftsförderung reformieren, auf dass sie besser greift. Wir könnten eine andere Widmungspolitik verfolgen. Wir könnten den Nahversorgungseuro einführen. Wir könnten uns an der Arbeitslosenversicherung beteiligen. Wir könnten vieles tun. Wir tun es aber genauso nicht. Deshalb braucht es Wiener Mut und deshalb braucht es mehr Grün in der Kammer und in Wien und andernorts auch. – Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Frau Stadträtin, bitte schön.

 

StRin Dipl Ing Dr Herlinde Rothauer: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Der Herr GR Strobl hat uns sehr eindrucksvoll eine Umfrage dargelegt (GR Friedrich Strobl: Wenigstens eindrucksvoll!), von der wir erstens nicht wissen, wer sie gemacht hat und zweitens, wann sie entstanden ist, ob da die Steuerentlastung für die Betriebe schon spürbar gewesen sein muss. (GR Friedrich Strobl: Diese Woche wurde sie präsentiert!)

 

Was er uns nicht gesagt hat, neben seiner politischen Einschätzung, ist dass renommierte Wirtschaftsforschungsinstitute, nämlich das IHS und das WIFO, sehr wohl bestätigt haben, wie weitreichend positiv sich die Steuersenkungen auf die österreichische und auf die Wiener Wirtschaft ausgewirkt haben. Nämlich 1,1 Milliarden EUR, das ist allein ein Drittel des gesamten Steuerpaketes, entfällt auf die Senkung der Körperschaftssteuer, die viele Vorteile in ganz Österreich bringt, unter anderem auch direkte Erhöhung der ausländischen Direktinvestitionen.

 

Weil Sie den Vorwurf gemacht haben, dass sich der Bund nur um die Großbetriebe kümmert: Nicht nur um die Großbetriebe. Ich werde Ihnen gleich einige Maßnahmen sagen, die auch den Kleinbetrieben sehr wohl zu Gute kommen. Aber Großbetriebe sind ja Nachfrager für Kleinbetriebe und wir wissen ganz genau, dass die wirtschaftsnahen Dienstleistungen bei den Kleinbetrieben nachgefragt werden und so kommt indirekt auch den Kleinbetrieben einiges zu Gute. Direkt zu Gute kommen den Kleinbetrieben Maßnahmen des Bundes wie Abfertigung neu, Abschaffung der dreizehnten Umsatzsteuervorauszahlung, Steuern von nichtentnommenen Gewinnen halbiert und so weiter und so fort.

 

Wenn Sie in Ihrer Begründung schreiben: „Neue wirtschaftspolitische Konzepte sind notwendig.", dann setze ich das wirklich einer gefährlichen Drohung gleich, denn wenn man sich das Wirtschaftsprogramm der Bundes-SPÖ von Herrn Matznetter anschaut, dann gibt es, zusammengefasst, mehr Steuern, höhere Kostenbelastungen, wie zum Beispiel bei den Krankenkassenbeiträgen und bei der Bildungsfreistellung, und die Einführung der 35-Stunden-Woche. Meine sehr geehrten Damen und Herren, kein Mensch kann mir einreden, dass die Klein- und Mittelbetriebe davon profitieren! Ganz im Gegenteil, sie sind die Leidtragenden des Ganzen! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Sie behaupten hier, die Wiener Klein- und Mittelbetriebe leiden unter der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Ich sage Ihnen, sie leiden mindestens ebenso unter der Wirtschaftspolitik der SPÖ-Alleinregierung, die sich immer zu einer besseren Alternative der Bundesregierung hochstilisiert. Die Wiener Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik hat für keinerlei Belastungssenkungen gesorgt, sondern im Gegenteil für Gebührenerhöhungen.

 

Ich sage nur zwei Beispiele:

 

Die vollmundige Ankündigung des Herrn Bürgermeisters, dass er sich für die Abschaffung der Werbeabgabe einsetzen wird, ist in dem Moment zerplatzt, wo er das Geld nicht vom Bund eins zu eins zurückbekommen hat.

 

Unseren Antrag auf Refundierung der Kommunalsteuer für die Lehrlingsentschädigungen auf die Klein- und Mittelbetriebe, den wir im November gestellt haben, haben sie einfach abgeschmettert.

 

Wie die Wiener Wirtschaftspolitik ausschaut, lässt sich auch daran messen, dass Wien seit Jahren die niedrigste Wachstumsrate, dafür aber die höchsten

 

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