Gemeinderat,
42. Sitzung vom 19.12.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 70 von 115
und Karlsplatzpassage soll umgewandelt werden in eine helle und freundliche Flanierpassage. Derzeit, wissen wir, ist diese Passage ein Treffpunkt der Wiener Drogenszene.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, das Problem ist,
dass im Zuge dieser angekündigten Projekte mehrere Gewerbetreibende anscheinend
vor den Kopf gestoßen werden und gekündigt werden sollen, die sich natürlich
gegen die Absiedlung wehren. Sie stehen teilweise unter Schock. Es hat sogar
eine Ehefrau eines Gewerbetreibenden einen Herzinfarkt erlitten, kaum hat sie
den Brief seitens der Wiener Verkehrsbetriebe geöffnet. Die Gewerbetreibenden
bangen um ihre Existenz, obwohl sie eigentlich die letzten Jahre und Jahrzehnte
überhaupt nicht schlecht gewirtschaftet haben. Sie müssen die Geschäfte einfach
zusperren, weil es die Stadt so will. Da drängt sich schon die Frage auf, ob
die Ausstellungsflächen, die in Zukunft anstelle der Geschäfte geplant sind,
kostenlos zur Verfügung gestellt werden oder ob an Vermietung gedacht wird oder
wann dieser Umbau konkret stattfinden soll, wann damit begonnen werden soll und
welche konkreten Maßnahmen im Rahmen dieser Umgestaltung geplant sind. Wenn
Maßnahmen wie eine Passantenbeschimpfung, wie vor einigen Wochen vor dem
Aufgang der U1, U2 und U4, gestartet werden, wo Stücke von Peter Handke
verlesen wurden, was von der MA 7 noch dazu gefördert wurde, wo übers
Mikrofon Passanten beschimpft wurden, hoffe ich wohl, dass in Zukunft die
Kunstprojekte nicht so aussehen werden. Auf jeden Fall ist die Frage offen, ob
Ersatzlokale vermittelt und Übersiedlungshilfen angeboten werden können.
Das wäre den Geschäftsleuten trotzdem zu wenig. Herr
Peter Kollin von Kollin-Hüte hat zum Beispiel gesagt: „Die Gemeinde hat die
Passage vernachlässigt und Süchtige hier geduldet und dafür sollen wir jetzt
büßen!" Andererseits sind andere, größere Betriebe, wie zum Beispiel
McDonalds, Starbucks und der Anker, nicht geschlossen. Ich bitte, dass Sie uns
kurz erklären, wo und warum so ein Unterschied gemacht wird! (Bgm Dr Michael Häupl: Ob ein Unterschied
gemacht wird!)
Frau VBgmin Brauner hat Anfang November in einer
Pressekonferenz gesagt, laut einer Umfrage wollen die Leute keine Ecken und
Nischen in der Passage, weil das eine gewisse Angst und Enge vermittelt und
deswegen sollen die Geschäfte großteils weg. Andererseits soll der Sozialpunkt,
also die Anlaufstelle für die Drogensüchtigen, bleiben. Die Drogenszene wird
also in Zukunft bleiben, auch wenn die Kunstpassage leuchtend hell erscheinen
soll. Ich glaube, dass vor allem davor die Leute Angst haben, nicht vor Ecken
und Nischen, sondern vor allem vor der Drogenszene, die hier bleiben soll. Es sollen
auch die Sozialarbeiter aufgestockt werden. Das sind diejenigen, die die Szene
eigentlich anziehen, weil die dort ihre Spritzen austauschen können. Für
600 Suchtkranke ist das ein fixer Bestandteil des Alltags. Täglich werden
dort 2 000 bis 3 000 Einwegspritzen getauscht.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, die Freiheitliche
Partei ist natürlich für eine Neugestaltung der Passage, aber nur unter der
Prämisse, dass die Drogenszene aus der Passage verschwindet. Wenn die
Drogenszene verdrängt wird, liegt das im Interesse vieler enttäuschter Bürger,
die schon über Jahre und Jahrzehnte vertröstet wurden. Das wäre vor allem im
Interesse vieler Schüler und Eltern, die besorgt durch diese Passage gehen
müssen. Ich bitte Sie, im Sinne dieser Anfrage auf diese Problemstellung
einzugehen. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich der
Herr Bürgermeister zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
Bgm
Dr Michael Häupl: Sehr
geehrte Herren Gemeinderäte!
Erlauben Sie mir, bevor ich in der direkten
Beantwortung Ihrer Anfrage auf die vielen Details eingehe, noch einige wenige
Vorbemerkungen, weil sie durchaus exemplarisch sind, aus Ihrer Einleitung, auch
für Ihre Methodik, Ihre Vorgangsweise und Ihre Anfragen dazu.
Es wird zunächst im Wesentlichen die Behauptung
aufgestellt, dass es allein im heurigen Jahr 5 000 Anzeigen aus dem
Bereich Karlsplatz gibt, dass die Szene wesentlich gewaltbereiter geworden ist.
Jetzt kann man natürlich sagen, es sind nur diejenigen von den Polizisten
vertrauenswürdig, die in anonymer Form Berichte abliefern. Das ist die eine
Vorgangsweise. Dann kann ich auch sagen, alle anderen lügen. Das kann man
natürlich machen. Man kann sagen, alle, die nicht die Informationen liefern,
die nützlich für die Argumentation der FPÖ sind, sind Lügner. (GR Mag Wolfgang Jung: Das ist eine
Unterstellung!) Das kann man natürlich machen.
Meine Methodik ist das nicht, sondern natürlich
verlasse ich mich darauf, dass hinterfragte Statistiken, etwa bei Polizisten,
die vor Ort Dienst machen, mir jedenfalls wesentlicher erscheinen, als Ihre
anonymen Zitierungen in Ihrer Einleitung. Da sage ich Ihnen in aller
vorweihnachtlichen Milde, nicht einmal zehn Prozent von dem, was Sie behaupten,
was es an Anzeigen in diesem Jahr im Zusammenhang mit dem Karlsplatz gegeben
hat, liegen tatsächlich vor und davon hat nicht einmal ein Prozent in der Tat
zu Verurteilungen geführt. Ich kann Ihnen nur sagen, Sie können natürlich
behaupten, was Sie wollen, das ist Ihr gutes Recht, aber Sie werden mir
zugestehen müssen, so wie ich das Ihnen zugestehe, dass ich mich mit dem
Wahrheitsgehalt Ihrer Aussagen auseinandersetze. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Das ist aber aus der „Presse"
zitiert!) - Das interessiert mich nicht! (GR Mag Wolfgang Jung: Sie
nicht!)
Sie behaupten das! Sie stehen
daher für Ihre Aussagen ein! Sie wissen, dass es unwahr ist! (StR Johann Herzog: Das ist nicht dementiert
worden!) Selbstverständlich ist das dementiert worden! Das haben Sie schon
einmal gesagt, Herr Stadtrat! Sie haben einmal behauptet, dass die Stadt Wien
oder ich persönlich an der Wasserabfüllanlage Wildalpen beteiligt sei. Und dann
haben Sie, nachdem ich Ihnen gesagt habe, das ist nicht wahr, gesagt: „Sie
können es ja dementieren." (GR Mag
Wolfgang Jung: Sie haben nicht recht!) Da stellt man Behauptungen auf und
sagt dann: „Das kann man ja dementieren. Mein Gott, wir wissen eh, dass wir
nicht die
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