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Gemeinderat, 3. Sitzung vom 15.12.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 12 von 56

 

Schlagwort „lebenslanges Lernen“ praktisch weltweit Anerkennung findet, findet in Österreich derzeit noch keine entsprechende Umsetzung, und daher kann es nicht verwundern, dass österreichische Schülerinnen und Schüler bei PISA entsprechend schlecht abschneiden. Ich weise aber auch einmal mehr darauf hin, dass auch immer wieder gemachte Empfehlungen wie jene der OECD-Studie oder der Zukunftskommission und vieles andere mehr nicht entsprechend umgesetzt werden. Angesichts dieser Tatsache darf man sich aber auch nicht wundern, wenn es keine Verbesserungen gibt!

 

Ich denke, PISA weist entsprechend klare Ergebnisse aus. Ich nenne Ihnen die wesentlichen fünf Punkte. Der Sozialstatus der Familien hat in allen Ländern Einfluss auf die Leistungen der Schüler. In Österreich ist dieser allerdings besonders hoch. Ähnlich wie in Deutschland hängen die Schülerleistungen sehr stark vom Bildungsniveau der Eltern sowie von deren beruflichem Status ab.

 

Migrationshintergrund ist oftmals ein massiver entsprechender Bildungsnachteil. Kinder der ersten Generation, die nicht in Österreich geboren sind, sind vor allem im Bereich der Lesekompetenz entsprechend schwach. Die Gruppe an Schülerinnen und Schülern mit Spitzenleistungen liegt bei 5 Prozent in der Lesekompetenz und bei ungefähr 13 Prozent in Mathematik. Das ist deutlich weniger als die Hälfte des Wertes von erfolgreichen Ländern wie Finnland mit 14,5 Prozent Spitzenleistungen im Bereich des Lesens und 21,6 Prozent im Bereich Mathematik. Noch einmal: 21,6 im Vergleich zu 13 Prozent im Bereich der Mathematik bei den Spitzenleistungen.

 

Deutlich mehr als ein Viertel aller Kinder gehören zur entsprechenden Risikogruppe. Ihnen fehlen grundlegendste Fähigkeiten, und sie müssen in weiterer Folge mit massiven Problemen auf dem Arbeitsmarkt rechnen.

 

Laut PISA gibt es in Österreich 28 Prozent Risikoschüler, die gegen Ende der Pflichtschulzeit nur unzureichend sinnerfassend lesen können. Im Bereich der Mathematik zeigt uns PISA ein Ergebnis von 23,3 Prozent an Risikoschülern.

 

Nicht erfolgreiche Schulsysteme wie in Österreich – ich habe schon darauf hingewiesen – verstärken im Lauf der Schulzeit entsprechende ungleiche Vorraussetzungen gerade durch die heute schon angesprochene frühe Selektion. Es ist richtig, die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen durch die Bundespolitik für eine umfassende Reform des Bildungswesens einzufordern. Ich meine aber, das allein genügt nicht und genügt vor allem auch uns in Wien nicht. Natürlich brauchen wir diese Vorraussetzung. Wir brauchen veränderte Rahmenbedingungen, darauf habe ich auch schon hingewiesen.

 

Aber wir wollen in Wien natürlich auch zusätzliche Akzente setzen. Wir bemühen uns derzeit zum Beispiel, diesen ungleichen Vorraussetzungen im Rahmen unserer kompetenzrechtlichen und verfassungsrechtlichen Möglichkeiten durch den Ausbau des Ganztagsschulwesens entsprechend entgegenzuwirken. Wir werden die Ergebnisse der PISA-Studie im Rahmen einer großen PISA-Konferenz im Jänner 2011, aber auch im Wiener Stadtschulrat entsprechen erörtern und aufarbeiten. Ziel dieser Konferenz ist es, gemeinsam mit den Schulpartnern und Schulpartnerinnen, den Expertinnen und Experten sowie den relevanten Stakeholdern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die PISA-Ergebnisse für Wien zu beraten und zu einer gemeinsamen Agenda für Reformschritte im Wiener Bildungswesen zu kommen.

 

Ich möchte Sie alle einladen, sich an diesem Dialog sehr intensiv zu beteiligen, denn ich denke, es ist hoch an der Zeit, dass wir uns von den alle drei Jahre stattfindenden Interpretationen der Ergebnisse verabschieden! Es geht nämlich jetzt um die Umsetzung von entsprechenden Handlungsempfehlungen, und das sollten wir möglichst rasch tun, meine Damen und Herren!

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Ich danke. Die 1. Zusatzfrage wird von GR Kurz gestellt.

 

9.58.24

GR Sebastian Kurz (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Herr Stadtrat!

 

Sie haben gesagt, dass man die Ergebnisse von PISA nicht überinterpretieren darf. Sie verwenden diese aber dann doch ganz gern, um damit die eine oder andere sozialdemokratische Ideologie gerade betreffend Gesamtschule zu rechtfertigen.

 

Ich komme zu meiner Frage: PISA zeigt, dass es vor allem im Bereich der Lesekompetenz Probleme gibt. Wenn dem so ist und wenn man PISA diesbezüglich recht gibt: Wie kann man dann rechtfertigen, dass eine Gesamtschule des Rätsels Lösung wäre, da doch bekanntlich die Lesekompetenz am Anfang der Schulzeit in der Volksschule erworben werden soll beziehungsweise sollte, die Volksschule aber alles andere als differenziert und somit eigentlich die erste Form der Gesamtschule ist. – Danke.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Stadtrat.

 

Amtsf StR Christian Oxonitsch: Ich möchte jetzt einmal locker die Gegenfrage stellen: Wie interpretiert man das bei den Naturwissenschaften, die nicht ein zentraler Fokus der Volksschulbereiche sind? Ich halte es für wirklich zulässig, diesen Schluss zu ziehen! Man braucht sich schlicht und ergreifend nur einmal mehr andere erfolgreiche Bildungssysteme anzusehen. Es ist natürlich notwendig, einerseits durch intensive Fördermaßnahmen im Bereich der Lesekompetenz zusätzliche Maßnahmen zu setzen. Ich glaube, diesbezüglich sind wir alle gefordert, gar keine Frage! Aber man sollte dabei nicht übersehen, dass auch für den wesentlichen Bereich Mathematik bereits in der Volksschule entsprechende Grundlagen geschaffen werden.

 

Es gibt aber einen ganz wesentlichen Indikator. Wenn ich mir die Ergebnisse der Wiener Schulumfrage ansehe, an der zehntausende Menschen teilgenommen haben, Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, so ist es schon allein aus diesem Grund für mich sehr zulässig, hier zu sagen: Es gibt ein erfolgreiches Modell in Österreich, und das ist eine Form der gemeinsamen Schule. Es sind dies die Volksschulen in Wien, aber nicht nur in Wien – diesen Schluss traue ich mir durchaus zu –, sondern in ganz Österreich. Betreffend den Bereich der Volksschule war die Zufriedenheit

 

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