Gemeinderat, 11. Sitzung vom 29.06.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 30 von 65
Teile dieser Welt und wir wollen das auch haben. (GR Mag Wolfgang Jung: Sie!) Was heißt, Sie? (GR Mag Wolfgang Jung: Sie wollen die Wirtschaftsregierung der EU! Sie wollen Österreich marginalisieren!)
Ich sage Ihnen eines, lieber Herr Kollege Jung: Wir haben in diesem Wien, in diesem Österreich eine Tradition, für die wir als Österreichische Volkspartei stehen, nämlich eine Friedens- und Wohlstandsordnung in Europa herbeizuführen. Wir wollen den Nationalismus des 19. Jahrhunderts nicht mehr! (GR Mag Wolfgang Jung: Den wollen wir auch nicht!) Das kann nicht die Antwort des 21. Jahrhunderts sein! (Beifall bei der ÖVP und von GRin Dr Monika Vana.)
Der Nationalismus hat uns in das 20. Jahrhundert mit vielen Millionen Toten geführt, er hat uns in viele Krisen geführt. (GR Mag Wolfgang Jung: Und jetzt machen wir, was uns die Franzosen vorschreiben!) Also Folgendes, was uns angeblich die Franzosen vorschreiben: Notwendig ist, dass wir gemeinsam für die Zukunft Europas arbeiten, so wie das um 1990 war, als wir glücklicherweise mit Helmut Kohl, Francois Mitterrand und Jacques Delors Personen hatten, die in die Zukunft zu gehen bereit waren.
Wir können nicht, weil heute eben manches nicht so gut funktioniert, sagen, gehen wir zurück ins 19. Jahrhundert, auf die Schlachtfelder von Sedan, auf die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges, wo unsere Großväter waren. Das wollen wir nicht! Wir brauchen ein Europa der Zukunft, und wir brauchen auch den Wunsch, dass dieses Europa tatsächlich in der Welt bestehen kann.
Ich glaube, gerade die nächste Generation hat mit ganz anderen Herausforderungen zu tun. Schauen Sie sich die gut ausgebildeten jungen Menschen in Shanghai an, schauen Sie sich die PISA-Studie zu Shanghai an, schauen Sie sich an, was sich in Indien abspielt. In diesem Wettbewerb befinden sich die Jungen in Europa, in Österreich.
Wir können nicht sagen, wir schotten uns ab, das machen ein paar Große. Gerade unsere klein- und mittelständische Wirtschaft zeigt ja, dass sie imstande ist, mit unseren Qualitäten nicht nur nach Mittel- und Osteuropa, sondern durchaus auch in andere Märkte zu gehen. Aber das geht nicht, indem wir sagen, Mauern rundherum, es ist uns wurscht, was irgendwo anders ist. Dazu ist dieses Europa, diese Welt viel zu stark zusammengewachsen. (Beifall bei der ÖVP.)
Wir wissen, dass die Anti-Europa-Stimmung steigt. Dem haben wir uns auch zu stellen, denn das ist viel zu ernst, als dass wir das auf die Seite schieben könnten. Aber das muss Aufgabe von jenen sein, die politische Verantwortung tragen, das können nicht jene sein, die irgendeinem alten nationalistischen Leitbild folgen oder glauben, man könne dadurch kurzfristig Stimmen lukrieren.
Wir müssen schauen, wie wir für die Zukunft entsprechende Lösungen schaffen. Dazu wird es notwendig sein, dass die Wirtschaftspolitik in Europa eben gemeinsam erfolgt. Doch müssen wir – das zeigt die Griechenlandkrise ganz deutlich – bei den Kriterien und bei der Einhaltung der Kriterien ehrlicher sein. Denn wenn all das, was in Maastricht und später vereinbart worden ist, tatsächlich eingehalten worden wäre, hätten wir manche Probleme nicht, das muss uns ganz klar sein. (GR Mag Wolfgang Jung: Ihr Vizekanzler hat das immer abgenickt! Das ist eigentlich passiert!)
Nur muss man bitte klarzustellen: Es war die politische Entscheidung des Jahres 2004. Bei dieser politischen Entscheidung des Jahres 2004 braucht sich niemand in diesem Haus auszunehmen. Damals war ein Schröder dabei, ein Joschka Fischer und auch die Freiheitlichen, die damals in der Regierung waren. (GR Johann Herzog: Das haben sie ja hineingemogelt! Das hat ja niemand gewusst!) Das heißt, wir können darüber diskutieren, wie wir es besser machen, aber jetzt zu sagen, das hat niemand gewusst, das ist einfach nicht die Realität, lieber Kollege Jung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
Natürlich tut man sich leichter, wenn man sagt, da ist ein Schuldiger (GR Mag Wolfgang Jung: Nicht einer! Portugal, Irland!), aber wir müssen vielmehr daraus lernen. Nun gilt es zu schauen, dass man wieder jemanden wir Jacques Delors an die Spitze der Europäischen Union bekommt. Das ist eine Herausforderung, und hier geht es darum, den Mut zu haben, sich nicht immer nur mit dem kleinsten Nenner zufriedenzugeben.
Was Griechenland betrifft, brauchen wir klare Regeln. (GR Mag Wolfgang Jung: Die haben wir, aber wir halten sie nicht ein!) Es muss auch klar sein, dass Griechenland geholfen werden muss, seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu verbessern, dass es notwendig ist, dass sie wieder auf den Wachstumspfad kommen, dass es notwendig ist, dass die Schulden wieder zurückgezahlt werden können, dass es notwendig ist, dass dieses Europa sich wirtschaftlich ganz anders positioniert, dass es auch europäische Rating-Agenturen gibt, sodass wir in dieser Hinsicht nicht nur von außerhalb Europas bestimmt werden.
Das sind Fragen, die längst nicht mehr weit weg von diesem Gemeinderat sind. Wir sehen ja, dass wir darin involviert sind, und wir haben nichts davon, wenn wir uns zurückziehen und sagen: Das spielt sich alles in völlig anderen Weltgegenden ab, wir errichten unsere Mauern und der Rest ist uns gleichgültig. Wir haben diese Verantwortung, weil diese Welt eine andere geworden ist, und in vielem ist es auch gut so.
Denken wir nur an die Menschrechte, denken wir daran, dass eben vieles, was früher völlig unbemerkt in anderen Gegenden der Welt geschehen ist, heute via Internet, via Medien mitverfolgt werden kann. Wir sehen das beispielsweise in Nordafrika. Es ist nicht mehr so wie vor 100 Jahren, als so etwas erst Wochen oder Monate später irgendwo aufgetaucht ist. Das ist auch eine Chance dieser globalisierten Welt, aber deren Spielregeln gilt es einzuhalten, und es gilt auch, da mitzugestalten.
Diese Europadeklaration – auf die möchte ich nun zurückkommen – ist sicherlich eine Chance. Ich glaube aber auch, dass wir als Wien besondere Aufgaben wahrzunehmen haben. Es ist ganz wesentlich, dass wir in einem Europa leben, in dem mittlerweile eine große
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