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Gemeinderat, 11. Sitzung vom 29.06.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 39 von 65

 

tes)|: Frau Vorsitzende! Herr Berichterstatter! Meine Damen und Herren!

 

Angekündigte Revolutionen finden erfahrungsgemäß nicht statt, das vom „Spiegel" vorweggenommene Begräbnis des Euros bestimmt auch nicht.

 

Ich möchte heute positiv zum Ausdruck bringen, dass wir ein rot-grünes Vorzeigeprojekt auf der Tagesordnung haben, das die Vorreiterrolle Wiens in Sachen Kommunalpolitik und Europapolitik sehr eindrucksvoll unter Beweis stellt. Denn, wie es Monika Vana schon gesagt hat, als erstes österreichisches Bundesland werden wir ein echtes Rederecht für EU-Parlamentarier implementieren, das für alle österreichischen Abgeordneten – noch für alle österreichischen Abgeordneten – zum Europäischen Parlament gilt, und zwar bei Geschäftsstücken, die auch die Europapolitik unmittelbar betreffen. Auf diese Weise können wir die Schnittstelle zwischen kommunaler Politik und Europapolitik stärken. Wir werden Wiens Rolle als Drehscheibe für Mittel- und Osteuropa weiter entwickeln. Wir können unsere Wirtschaft, die zu den dynamischsten in der Region Centrope zählt, weiter internationalisieren und die Poleposition Wiens, als Stadt der Kultur, des Know-how-Transfers und der Kooperation, weiter ausbauen.

 

Man muss bedenken, dass es in Europa über 90 000 lokale und regionale Gebietskörperschaften gibt, einschließlich der 75 regionalen Versammlungen mit Gesetzgebungsbefugnissen, die 70 Prozent aller EU-Rechtsvorschriften umsetzen, auf die 16 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der EU-27, 56 Prozent der Beschäftigung im öffentlichen Dienst, ein Drittel der öffentlichen Ausgaben und zwei Drittel aller öffentlichen Investitionsausgaben. entfallen

 

Dann wird natürlich klar, dass nur die enge Vernetzung, nur die Zusammenarbeit mit den Gremien der Europäischen Union und ihren Vertreterinnen und Vertretern diese Rahmenbedingungen laufend verbessern und Belastungen, und die können sowohl finanzieller als auch bürokratischer Natur sein, verringern können. Deshalb stützt sich auch die Wiener Europadeklaration 2011, die uns heute zur Beschlussfassung vorliegt – und mein herzlicher Dank gilt auch an alle damit befassten Beamtinnen und Beamten –, unter anderem auf die Erklärung des Europäischen Rates – ich zitiere: „zur demokratischen Legitimation und Transparenz der Union und ihrer Organe, die verbessert werden müssen, um sie den Bürgern und Bürgerinnen der Mitgliedsstaaten näherzubringen", auf eine Entschließung des Europäischen Parlaments, die ein Abrücken – Zitat: „von einer bürokratischen und pyramidenförmigen Konzeption des institutionellen Systems der Union fordert", auf das Grünbuch der Europäischen Kommission zum territorialen Zusammenhang und das Weißbuch des AdR, des Ausschusses der Regionen, zur Multi-Level-Governance.

 

In Kapitel 5 Abs 31 unserer Wiener Europadeklaration wird das Rederecht explizit als Instrument angeführt, um Wien-relevante Themen zu lobbyieren. Aber jetzt kommt es: Zu den generellen Zielsetzungen der Deklaration und zu den Leitlinien der Wiener Europapolitik gehört ebenfalls die Forderung nach einer ökologisch und sozial ausgerichteten nachhaltigen Wirtschaft und die Absage an neoliberale Dogmen, um Entsolidarisierung und auch die Destabilisierung des Euros zu verhindern, um das Demokratiedefizit abzubauen und um das Europäische Parlament weiter zu stärken.

 

Die Einführung der Europäischen Bürgerinitiative war hier nur ein erster Schritt in der Weiterentwicklung der Demokratie. Eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts und die Bildung einer europäischen Sozialunion könnten ein Mehr an Europa und ein besseres Europa schaffen, indem diese infantil-egoistische Weil-ich-es-mir-wert-bin-Ideologie endlich durch Solidarität ersetzt wird. Das gilt insbesondere für das Regelsystem der europäischen Finanzmärkte und für die strategische wirtschaftspolitische Ausrichtung der EU. Eine politische Lösung, die wieder ein Primat der Politik über die Ökonomie bringt, nämlich die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, ist unabdingbar. Meine Fraktion hat sie seit Langem im AdR gefordert, ist aber leider gegen die Mehrheit der Konservativen nicht damit durchgedrungen. Also die Finanztransaktionssteuer ist unabdingbar. Das hat schlussendlich auch Herr Kommissionspräsident Barroso eingesehen, der derzeit auf der Ebene der G8 Druck für die Finanztransaktionssteuer, kurz FTT, macht. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Die Idee dahinter, alle finanziellen Transaktionen auf Finanzprodukte, wie Aktien und Anleihen, werden computergesteuert, computergetaktet, minimal mit, sagen wir, 0,5 Prozent besteuert. Das würde primär die Spekulationen ohne tatsächliche Warengeschäfte, also die sogenannten Sekundargeschäfte an der Börse, treffen, die Realwirtschaft und den normalen Bürger aber so gut wie nicht belasten. Man würde damit die Finanzmärkte stabilisieren. Man würde dieses total überhitzte Kaufen, Verkaufen, Kaufen, Verkaufen, das jeder aus der Werbung kennt, regulieren, beruhigen, abstellen. Die Staaten hätten mit wenig Aufwand eine neue, sehr lukrative Einnahmequelle. (GR Mag Wolfgang Jung: Der Herr Barroso will das Geld aber selbst haben, müssen Sie dazusagen!) Und zwar Schätzungen zufolge könnten die Staaten daraus 215 Milliarden EUR innerhalb der EU und weltweit 450 Milliarden EUR lukrieren. Dagegen nimmt sich dann die Griechenlandhilfe mit ihren 120 Milliarden EUR, das sind 4 Prozent des Bruttosozialprodukts der EU, vergleichsweise bescheiden aus und ist überhaupt ein Lapperl im Vergleich zu den 400 000 Milliarden Dollar, die von den Zockern der internationalen Finanzmärkte erbeutet worden sind. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Deutschland und Frankreich, die Sie sehr gescholten haben, haben sich aber glücklicherweise bereits für die Einführung dieser FTT ausgesprochen. Amerikas Pudel Großbritannien und Berlusconi-Italien sind noch dagegen, weil sie Nachteile in ihrem globalen Wettbewerb befürchten. Hier bedarf es einer breiten Aufklärung und einer sehr intensiven Überzeugungsarbeit, damit den Banken und den privaten Rating-Agenturen, die in diesem wirklich unfairen und faulen System Staaten belasten, indem sie gegen deren Volkswirtschaft spekulieren, in einer europaweit konzertierten Aktion das Handwerk gelegt wird. Einer, der damit ein Vermögen ge

 

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