Gemeinderat, 17. Sitzung vom 16.12.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 104 von 145
Sie haben gesagt: „Verurteilt worden.“ – Das Dokumentationsarchiv ist überhaupt nicht verurteilt worden, sondern es hat geklagt, und wie das bei Gericht oft ist, hat man gesagt, dass im Namen der Meinungsfreiheit gewisse Dinge gesagt werden dürfen. So hat beispielsweise auch ein Grünpolitiker einmal über Haider gesagt, dass er der Pate des rechtsextremen Terrors in Österreich sei. – Ich halte das für einen Blödsinn, aber ein Gericht hat in diesem Fall auch gesagt, dass man das im Rahmen der Meinungsfreiheit sagen darf. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Auch das ist etwas, das meiner Ansicht nach falsch ist, aber man darf das eben sagen. Genauso hat das Gericht auch beim Dokumentationsarchiv gesagt, man darf das im Rahmen der Meinungsfreiheit sagen. Das heißt nicht, dass das, was gesagt worden ist, stimmt – es stimmt nämlich überhaupt nicht, das muss auch einmal deutlich klargestellt werden –, nur hat das die FPÖ nicht verstanden. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Es ist jedenfalls auch ganz wichtig, das Verbotsgesetz zu erwähnen – Kollege Troch hat es schon erwähnt –, weil das Verbotsgesetz nach 1945 praktisch die juristische Antithese zum nationalsozialistischen Verbrecherregime dargestellt hat und bis heute darstellt. Es ist einfach falsch zu sagen, das sei ein Meinungsgesetz. Überhaupt nicht: Das Verbotsgesetz richtet sich nicht gegen Meinungen, sondern gegen schwerste Verbrechen und ist darauf gerichtet, dass schwerste Verbrechen nicht wiederholt werden! Mit Meinungsfreiheit hat das überhaupt nichts zu tun! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN. – GR Mag Wolfgang Jung: Davon haben wir gar nicht geredet!)
Ich muss leider sagen, der Präsident Herzog hat wieder gesagt, der Bundesparteiobmann hätte sich voll für die Aufrechterhaltung des Verbotsgesetzes ausgesprochen. Das stimmt zumindest nach den mir vorliegenden Unterlagen nicht. In der Sendung „Pressestunde“ vom 23. April 2006 sagte Strache über den Strafrahmen zum Verbotsgesetz, ich zitiere: „in einer radikalen Art reduzieren, denn der Strafrahmen, der heute vorhanden ist, ist also wirklich ein irriger.“ – Zitat Ende. Ich habe viel mehr Zitate, aber ich bringe nur zwei. „Falter" vom 3. September 2008. Frage: „Sie sind für eine Abschaffung des Verbotesgesetzes. Warum?“ – Straches Antwort: „Es ist nicht zeitgemäß. Ich halte es für nicht sinnvoll, dass man Probleme löst, indem man Menschen wegen ihrer Meinung wegsperrt.“ – Zitat Ende.
Also noch einmal: Das Verbotsgesetz richtet sich nicht gegen eine Meinung. So wie es Antiterrorgesetze gibt, die sich gegen den Terrorismus richten, richtet sich das Verbotsgesetz gegen den schlimmsten staatlichen Terrorismus aller Zeiten, der Millionen und Abermillionen das Leben gekostet hat; und damit das nicht noch einmal eintritt, haben wir das Verbotsgesetz. Dazu sollten Sie sich bekennen. Damit das nicht mehr eintritt und auch wissenschaftlich und bewusstseinsmäßig aufgearbeitet wird, haben wir das Dokumentationsarchiv, das wir weiter unterstützen werden, und zwar mit bestem Gewissen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Dr Sigrid Pilz: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr GR Herzog zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
GR Johann Herzog (Klub der Wiener Freiheitlichen): Die Ablehnung des Begehrens von Dr Neugebauer durch das Gericht wurde nicht mit Meinungsfreiheit begründet, sondern damit: „den Privatankläger Dr Wolfgang Neugebauer in einem Druckwerk verächtlicher Eigenschaften oder Gesinnungen geziehen und eines unehrenhaften oder gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet sei, in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen … gemäß § 259 Abs 3 StPO freigesprochen.“ – Also nicht im Sinne der Meinungsfreiheit. – (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Dr Sigrid Pilz: Zu Wort gemeldet ist Herr GR Akkilic. Ich erteile es ihm. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Der kennt sich aus!)
GR Senol Akkilic (Grüner Klub im Rathaus): Ich verfolge diese Debatte mit voller Aufmerksamkeit, weil ich ständig feststelle, wie sehr die österreichische Geschichte wieder in unser Alltagsleben hineinführt, wie sehr wir immer wieder mit dieser Geschichte konfrontiert werden und warum es so wichtig ist, dass es ein Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes gibt. Das ist, glaube ich, eine Sache, die man immer wieder unterstreichen muss, angesichts der Tatsache, dass in Europa, auch in Österreich, sich Vorfälle ereignen, wo jemand wie Anders Breivik eine Waffe in die Hand nimmt und eine Gesinnung vertritt … (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Freimaurer!) – Moment, bitte schön, ich rede in Ruhe, ja! – eine Gesinnung vertritt, wo er sagt, die marxistische multikulturelle Gesellschaft muss vernichtet werden. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Wir wissen von der NS-Zeit, dass damals Marxisten, Kommunisten, Sozialdemokraten, aber auch christlichsoziale Menschen in die Gefängnisse gesteckt worden sind, weil sie der Ideologie nicht gepasst haben. Am selben Tag, als Anders Breivik in Norwegen mit einer Waffe auf wehrlose Jugendliche geschossen hat, hat sich nach dieser Tat ein Mann, dessen Name mir jetzt nicht einfällt, in Traun, Oberösterreich, in Bewegung gesetzt und wollte dort auf MigrantInnen losschießen. Meine Damen und Herren! Vielleicht berühren diese Sachen Sie nicht, aber mich berühren sie sehr. Vor ungefähr drei Tagen hat in Florenz ein den Behörden einschlägig bekannter Rassist eine Waffe in die Hand genommen und zwei Afrikanern auf offener Straße, am helllichten Tag das Leben genommen, sie erschossen. Das sind Dinge, meine Damen und Herren, die in unserem heutigen Europa passieren! (GR Dipl-Ing Omar Al-Rawi: Die sind ja vernetzt!)
Wenn Herr Herzog herkommt und sagt, der Terror, die Gewalt kommt von links … (GR Johann Herzog: In Österreich! Hallo! In Österreich!) Wir bekennen uns zur Gewaltlosigkeit … (GR Johann Herzog: Die Jugend weiß davon nichts!) – Herr Herzog, sind Sie einmal mit einer schwangeren Frau am Bregenzer Bahnhof gestanden, wo 16 Skinheads sie nach Mitternacht, um 1 Uhr angegriffen haben? (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Linke!) – Das waren Rechtsradikale. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Das sind Ihre Leute!) Wir haben ganz
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