«  1  »

 

Gemeinderat, 32. Sitzung vom 14.12.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 6 von 133

 

gehört selbstverständlich auch die Restitution. Insgesamt wurden in der Wienbibliothek, im Wien Museum und im Jüdischen Museum seit 1999 rund 70 000 fragliche Erwerbungen aller Art auf ihre Provenienzvermerke untersucht, davon allein 45 000 Bücher in der Wienbibliothek. Von diesen wurden 5 400 Objekte an Rechtsnachfolger restituiert. 2011 verabschiedete das Hohe Haus hier auch ein neues Restitutionsgesetz. Danach wurde die Gültigkeit auf Gebiete außerhalb der heutigen Republik Österreich ausgeweitet und der zeitliche Rahmen von 1933 auf 1945 ausgeweitet.

 

Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesem Fragezusammenhang ist der Erhalt unserer alten Friedhöfe. Es sagt viel über eine Gesellschaft aus, wie sie mit ihren Vorfahren und Toten umgeht. Hier ergreift die Stadt seit Jahren Maßnahmen, um dieses Erbe zu erhalten. 2007 wurden 69 Gräber bedeutender jüdischer Persönlichkeiten überdies nachträglich als Ehrengräber der Stadt Wien gewidmet. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es auf den jüdischen Friedhöfen keine Ehrengräber. Eine Entdeckung, die erst im Zuge der Forschung einer von mir beauftragten Historikerkommission aufgefallen ist, die die von 1938 bis 1945 vergebenen Ehrengräber aufarbeitete. Kürzlich beendete im Übrigen eine zweite Kommission ihre Arbeit, die die Zeit von 1934 bis 1938 in den Mittelpunkt der Forschung stellte. Resultat war die Einführung der neuen Kategorie „Historische Gräber".

 

Auch dem Erhalt des Gedächtnisortes per se – den Friedhöfen – kommt besonderes Augenmerk von Seiten der Stadt zu. Der Friedhof Seegasse ist Wiens ältester jüdischer Friedhof und mit jenem im St Marx der einzige, der aus der Biedermeierzeit erhalten blieb. Er ist von höchster kulturhistorischer Bedeutung und zieht bis heute zahlreiche BesucherInnen aus aller Welt an. Vergangenen Sommer wurde hier der 50. Grabstein restauriert, jährlich kommen 50 weitere dazu.

 

Beim Währinger Friedhof wurde neben dem Eingangstor das sogenannte Friedhofswärterhaus saniert. Das denkmalgeschützte Gebäude steht nun als Bethaus zur Verfügung. Auch eine Informationsstelle rund um das jüdische Leben und den Friedhof wird eingerichtet.

 

All diese Projekte – und ich habe Ihnen hier nur einen Auszug aus jenen Projekten, die der Erinnerungskultur dienen, vorgestellt – müssen und werden natürlich auch entsprechend der Öffentlichkeit kommuniziert. Oft entstanden sie auch in einem öffentlichen Meinungsprozess, wenn es sich um BürgerInnenprojekte handelt. Artikel in Printmedien, TV-Beiträge, Pressekonferenzen und zuletzt eine umfassende Broschüre informieren die Wienerinnen und Wiener darüber. Derzeit wird auch am „Erinnern 2.0“ im Web gearbeitet, um die Geschichte der Stadt auch online erfahrbar zu machen.

 

Sie sehen, sehr geehrter Gemeinderat, die Aktivitäten der Stadt in Zusammenhang mit der Erinnerungskultur sind mannigfach.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke für die sehr ausführliche Beantwortung der Frage. – Wir kommen nun zu den Zusatzfragen. Die 1. Zusatzfrage wird von GRin Ing Leeb gestellt. – Ich bitte darum.

 

9.11.00

GRin Ing Isabella Leeb (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Guten Morgen, Herr Stadtrat!

 

Sie haben gerade schon sehr viel aus dieser Broschüre über die Gedächtniskultur präsentiert, die von Ihnen herausgegeben wurde. Dieser Broschüre entnehmen wir, dass durch die Umbenennung des Dr-Karl-Lueger-Rings in Universitätsring nun auch die problematischen Aspekte der Persönlichkeit Dr Karl Luegers akzentuiert wurden.

 

Ich lasse nun einmal dahingestellt, wie eine Persönlichkeit durch die Auslöschung eines Straßennamens der Nachwelt akzentuiert wird. Ich halte diese Begründung für etwas konstruiert, da gefällt mir jene von Alexander van der Bellen in seiner Pressekonferenz von dieser Woche einfach besser, dass es nämlich vielleicht für die Uni dieser Stadt ein wichtiges Zeichen ist, dass der Ort, wo sie angesiedelt ist, auch nach ihr benannt wird.

 

Aber wenn wir jetzt bei der Erinnerungskultur bleiben, da sind wir uns ja wahrscheinlich einig, dass es für bestimmte Straßennamen, die nach durchaus umstrittenen politischen Persönlichkeiten benannt wurden, vernünftig und wahrscheinlich auch zielführend ist, durch die Anbringung von Zusatztafeln über diese Personen zu informieren, anstatt diese aus dem Stadtbild zu entfernen. Und dies sollte doch wohl auch gleichermaßen für alle politischen Richtungen gelten.

 

Meine Frage wäre daher, ob es zu erwarten ist, dass in naher Zukunft auch am Julius-Tandler-Platz oder beispielsweise am Dr-Karl-Renner-Ring entsprechende Zusatztafeln angebracht werden, um die problematischen Aspekte dieser Persönlichkeiten ebenso der Öffentlichkeit näherzubringen.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Stadtrat.

 

Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Ich habe ja eingangs in der Fragebeantwortung darauf hingewiesen, dass wir eine Arbeitsgruppe eingesetzt haben, unter der Leitung von Prof Dr Rathkolb, die derzeit alle Straßennamen in Wien – Verkehrsflächenbezeichnungen, um es korrekt zu sagen –, insbesondere die etwa 3 500 personenbezogenen Verkehrsflächenbezeichnungen untersucht. Das ist eine sehr umfangreiche und, wie man sich vorstellen kann, auch rechercheintensive Arbeit. Sobald hier erste Ergebnisse vorliegen, wird man sich zusammensetzen und jeweils zu entscheiden haben, in welcher Form wir diese historischen Zusammenhänge auch dokumentieren.

 

Das wird mit ziemlicher Sicherheit in künstlerischer Form geschehen, das kann auch in Form von Zusatztafeln geschehen. Aber das werden wir uns dann überlegen, wenn wir tatsächlich eine historisch fundierte Aussage darüber haben, um welche Straßennamen es geht und wie mit diesen Personen und ihren historischen Bezügen auch umzugehen ist.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke. – Die 2. Zusatzfrage stellt GR Ellensohn.

 

9.13.32

GR David Ellensohn (Grüner Klub im Rathaus): Herr Stadtrat!

 

Wir haben, wie Sie eingangs gesagt haben, eine Umrundung des Themas Kultur über den Tag und hätten und haben auch in der Kulturdebatte genügend Zeit, uns

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular