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Gemeinderat, 3. Sitzung vom 16.12.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 47 von 99

 

giebig, denn selbst wenn die Frau Stadträtin mit dem Brustton der Überzeugung davon spricht, dass ein Grundkonzept vorliegt und dieses Grundkonzept sich auf Internationalität, Freiheit und Weltoffenheit bezieht, kann ich dazu nur sagen: Das ist kein Grundkonzept, und zwar schon gar nicht für operative Schritte, auch wenn das Werte sind, gegen die selbstverständlich niemand etwas einzuwenden hat.

 

Und was natürlich auch noch ganz interessant ist: Stadtaußenpolitik im engeren Sinne hat der Compress Verlag wohl bisher nicht betrieben! Er hat der Stadt Wien geholfen, aber so weit waren wir noch nicht. Man lagert jetzt sehr viel aus, etwa im Zusammenhang mit der Daseinsvorsorge, aber dass man jetzt auch noch Kernstücke der Politik auslagert, damit andere GmbHs das für einen erledigen, das hatten wir bis jetzt noch nicht!

 

Ich stelle jedenfalls fest – das haben wir zumindest heute von der Frau Stadträtin gehört -, dass die Wien Holding jetzt für die Stadtaußenpolitik verantwortlich sein wird. – Na bumm! Da geht es ja wirklich an die Substanz der Politik, wenn wir jetzt schon Politikfelder auslagern, damit diese von ausgegliederten Unternehmen bearbeitet werden! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Wir haben auch keine Antworten auf die Frage bekommen, wo diese Auslandsaktivitäten erfolgen sollen und mit welchem Personal sie in welchen Büros und mit welcher Infrastruktur erfolgen sollen. All das muss erst die noch zu gründende oder schon gegründete Gesellschaft festlegen. Wir wissen zwar nicht genau, wohin wir wollen, aber dafür sind wir – frei nach Qualtinger – umso schneller dort.

 

Wir stellen einmal 9,5 Millionen EUR im Jahr 2016 und noch einmal 9,5 Millionen im Jahr 2017 zur Verfügung, und damit wird man wohl schon ein Konzept zu Auslandsaktivitäten erstellen können. Ja, das glaube ich auch! Es werden sich Personen finden, die das für 9,5 Millionen im Jahr sehr gerne machen. – Unter dem Strich ist es natürlich völlig ausgeschlossen, dass wir einem solchen Akt zustimmen! Meine Kritik an die SPÖ: Da herrscht völlige Intransparenz! Sie genehmigen sich auf Vorrat 9,5 Millionen, sagen uns nicht, wofür, und erwarten ernsthaft, dass wir zustimmen.

 

Meine Kritik an die Grünen ist differenzierter. Diesfalls kann ich jetzt nicht in Bausch und Bogen kritisieren, weil Herr Kollege Margulies sich diesbezüglich durchaus couragiert und mannhaft gezeigt hat. Ich stehe nicht an, ihm das zu attestieren, denn er hat sowohl vor der Koalitionsbildung als auch nach der Koalitionsbildung auf Missstände hingewiesen, für welche die SPÖ die Verantwortung trägt. Er hat klare Worte gefunden. Er hat gesagt, 40 Millionen EUR sind in den vergangenen 10 Jahren einfach versickert. – Das ist nachvollziehbar, denn der Compress Verlag hat die wahnsinnige Summe von 140 Millionen EUR bekommen. Der Herr Kollege hat die Gewinnsituation des Compress Verlages sehr sachlich und nachvollziehbar dargestellt, und es hat eine gewisse Plausibilität, wenn er hier von 40 Millionen EUR spricht, die einfach weg sind beziehungsweise, wie ich es jetzt formulieren möchte: Weg sind sie nicht, aber wir haben sie nicht, sondern jemand anderer hat sie. Die Stadt Wien und die Wiener Politik haben aber jedenfalls nichts davon!

 

Herr Kollege Margulies hat gesagt, die Bücher des Compress Verlages mögen bitte offengelegt werden, und es muss sichergestellt werden, dass es nicht zu einer versteckten Parteienfinanzierung – der SPÖ, wie ich jetzt quasi in Klammer hinzufüge – gekommen ist.

 

Kollege Margulies hat sich sehr weit hinausgelehnt und hat gesagt, ohne Aufklärung über die verbliebenen 40 Millionen EUR werden wir keinem Deal mit der Wien Holding zustimmen. – Chapeau! Bis daher ist das sehr couragiert, anerkennenswert und mannhaft!

 

Ab sofort nimmt meine Begeisterung aber auch wieder merklich ab, Herr Kollege, denn ich frage Sie: Welche Schlüsse ziehen Sie jetzt daraus, welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

 

40 Millionen EUR sind versickert. Sie stellen das fest, und das wird sich auch so verhalten. Sie sagen, so machen wir nicht weiter und wir sind auch nicht bereit, einen solchen Deal zu machen! – Jetzt gibt es einen Deal, von dem ich annehme, dass er in einer etwas abgeschwächten Form zustande kommt, und der Herr Kollege wird uns dann sagen, wird, in welchem Umfang er sich einbringen konnte.

 

Letztlich will man nämlich das Koalitionsabkommen natürlich nicht scheitern lassen. Er hat ja auch auf ehrliche Art und Weise gesagt, dass er leider nicht weitergekommen ist. – Ich zitiere aus dem „Standard“ vom 2. Dezember 2015, also bereits nach der Koalitionsbildung: „Ich bin leider nicht weitergekommen, weiß nicht, was mit diesem Geld passiert ist. Aber deswegen“ – und das muss man sich jetzt auf der Zunge zergehen lassen! – „kann man kein Koalitionsabkommen scheitern lassen.“ – Ab wie vielen Millionen lassen Sie es scheitern? (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

 

Eine Möglichkeit hätte es jedenfalls gegeben, nämlich nicht wieder die ausgegliederte Form der Erledigung zu wählen, denn wir werden natürlich wiederum kein Fragerecht haben. Wir werden keine Auskunft bekommen. Und wenn Herr Kollege Margulies verlangt, dass man jetzt die Bücher des Compress Verlags öffnet, na ja, das kann man verlangen, aber das ist natürlich völlig unrealistisch! Das ist eine Forderung, von der man weiß, dass sie nicht erfüllt werden kann. Die Bücher werden nicht einmal geöffnet werden, wenn es sich um eine GmbH der Gemeinde Wien handelt. Wenn man es daher schon im Hinblick auf die Vergangenheit nicht schaffen wird, in diese Bücher Einblick zu nehmen, hätten Sie allerdings jetzt die Möglichkeit gehabt, zumindest dafür zu sorgen, dass wir, wenn diese Tätigkeit im Rahmen des PID erfolgt, volle Kontrolle und volle Einsicht behalten hätten.

 

Wenn Sie sagen, wegen 40 Millionen EUR kann man eine Koalition nicht scheitern lassen, dann muss ich das zur Kenntnis nehmen. Freuen tut es mich nicht! Ich glaube, der Betrag ist groß genug, aber wenn man schon sagt, dass man übergeordnete Koalitionsinteressen hat, dann hätte man zumindest dafür sorgen müssen, dass in Zukunft Transparenz gewährleistet ist, von welcher in der

 

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